"Ein Handschuh aus Schlachtabfällen!?" Kein Witz - sondern eine Innovation. Denn der Schweizer Forscher Philipp Stössel strickt mit Gelatine-Fasern. Und verwertet damit die Teile vom Tier, die sonst in die Tonne wandern.
Allein in Europa fallen jährlich 15 Millionen Tonnen Schlachtabfälle an. Teilweise werden diese weiter zu Tierfutter oder Gelatine verarbeitet, in Biogasanlagen umgesetzt. Der Rest wird einfach verbrannt. Manche Köche setzen bereits darauf, Tiere nur noch "Nose to Tail" zu verarbeiten. Bis diese Idee in der industriellen Verarbeitung von Fleisch ankommt, wird noch viel Zeit vergehen.
In der Zwischenzeit hat sich der Schweizer Forscher Philipp Stössel daran gemacht zu überlegen, wie diese Riesenmenge an Abfällen sinnvoll verwertet werden kann. Der Lebensmittelwissenschaftler forscht im Bereich Functional Materials Laboratory an der ETH Zürich.
"Gelatine lag auf der Hand, weil es in enormen Mengen anfällt auf der Welt."
Aus den Abfallproteinen hat Philipp zunächst Gelatine hergestellt und damit weiter experimentiert. Vor drei Jahren begann er, mit seinen Forscherkollegen darüber nachzudenken, wie sie daraus etwas Höherwertiges entwickeln könnten. Dabei haben sie auch Gelatine in Wasser aufgelöst und festgestellt, dass diese ausflockt, wenn sie Lösungsmittel dazu geben. Aus der weißen, flockigen Pampe gelange es Philipp Fasern zu ziehen.
Nachhaltige Innovation
Die Fasern sind aber nur 20 bis 25 Mikrometer dick und somit dünner als das menschliche Haar. Philipp hat dann von Hand aus den Fasern mit einer Handspindel ein Garn gesponnen. "Textilfasern war immer ein Traum, weil sie Anklang findet in der Bevölkerung", sagt Philipp. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die auf Erdölbasis hergestellten synthetischen Fasern den Großteil der weltweit gehandelten Textilien ausmachen.
Das gewonne Gelatine-Garn beschreibt Philipp als glatt. Die Struktur ähnele Schafswolle. "Da lag es nahe, eine Textilstruktur zu stricken", erklärt er. Aus dem Garn haben dann seine Frau und seine Mutter einen Handschuh gestrickt, der sich so ähnlich trage, als wäre er aus Schafswolle gestrickt. Für die angewiderten Reaktionen von Veganern und Vegetariern zeigt Philipp zwar Verständnis. Aber Wolle und Gelatinewolle wären chemisch identisch. Dabei sei sein Ziel, das Beste aus den Abfällen herauszuholen.
Mehr über die Gelatinefaser:
- Garn aus Schlachtabfall | Pressemitteilung der EHT Zürich
- Pullover aus Fleisch | Artikel auf sueddeutsche.de