Nobelpreisträgerin fordert grüne Gentechnik
Die sogenannte Genschere Crispr/Cas9 hat die Gentechnik revolutioniert. Damit lassen sich präzise, einfach und günstig die Gene von Organismen ändern. Wir könnten damit einen großen Beitrag für den Umweltschutz leisten, glaubt die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard. In ihrem Vortrag fordert sie deshalb, das Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland aufzuheben.
"Ohne Gentechnik" ist ein echt gutes Verkaufsargument in Deutschland. Die Mehrheit der Verbraucher hierzulande lehnt Gentechnik ab – sei es auf dem Feld oder auf dem eigenen Teller. In der Naturbewusstseinsstudie 2017 des Bundesamtes für Naturschutz sprechen sich zum Beispiel 79 Prozent der Befragten für ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft aus. Die Biochemikerin Christiane Nüsslein-Volhard hält diese Ablehnung grüner Gentechnik in Deutschland für höchst unvernünftig.
"Es ist höchste Zeit, Genom-Editierung für die Pflanzenzüchtung in Deutschland zu ermöglichen."
Christiane Nüsslein-Volhard hat viele Jahre als Direktorin die Abteilung Genetik des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen geleitet, wo sie heute – mittlerweile emeritiert – noch forscht. Ihre Hauptinteressensgebiete sind Genforschung und Entwicklungsbiologie. 1995 wurde ihr für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung der Nobelpreis für Medizin verliehen. Sie ist sich sicher: Gentechnisch veränderte Pflanzen sind unschädlich für Mensch und Natur.
"Bisher ist noch kein einziger Fall eines durch solche Pflanzen verursachten Schadens für Mensch und Tier nachgewiesen worden."
Mehr noch: Sie glaubt, dass der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen Gutes für Mensch und Umwelt brächte: Sie würden mehr Erträge bringen, und so einen hohen Nutzen für die Welternährung haben.
"Neue Züchtungen durch diese so effiziente und zeitsparende Methode sind auch dringend notwendig, um dem Klimawandel zu begegnen."
Gleichzeitig, so argumentiert sie, würden sie einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zum Naturschutz, zum Artenschutz und gegen das Insektensterben leisten. Weil gentechnisch veränderte Pflanzen etwa weniger schädliche Pestizide nötig hätten und wir damit weg kämen von reinen Monokulturen, hin zu mehr Biodiversität in den Kulturlandschaften. Und – nicht zuletzt – würde uns das aus der Abhängigkeit großer Saatgut-Firmen befreien.
Nobelpreisträgerin für Grüne Gentechnik: Mehr Umweltschutz und Klimaschutz
Diese und mehr Argumente führt Christiane Nüsslein-Volhard in ihrem Vortrag "Die Grenzen der Menschheit" an, den sie extra für den Hörsaal im Studio gehalten hat. Darin erläutert sie zunächst die Geschichte der klassischen Gentechnik und erklärt dann sehr verständlich die Crisp/Cas9-Methode, die das Genome-Editing in den letzten Jahren revolutioniert hat.
"Experimente verbieten sich am Menschen!"
Mit dieser Methode lassen sich präzise, einfach und günstig die Gene von Organismen ändern – von Pflanzen, aber auch von Tier und Mensch. Und hier zieht die Nobelpreisträgerin ganz klare Grenzen: Bestimmte Krankheiten mögen sich mit dieser Methode heilen lassen, erklärt sie anhand von Beispielen im Vortrag. Aber: Trotz aller Präzision könnten auch Fehler passieren. Und: Von keinem Gen des Menschen wisse man genau, was es alles bewirke und beeinflusse.
"Deshalb gilt sicher für absehbare Zeit, und wie ich meine für immer: Hände weg!"
Deshalb plädiert sie entschieden für einen begrenzten Einsatz der Technik – für die Veränderungen von vorgeburtlichen Zellen etwa gilt für sie ganz klar: "Hände weg!" Denn per Crisp/Cas9 vorgenommene Veränderung in der sogenannten Keimbahn – also Veränderungen an Zellen, aus denen sich noch ein Mensch entwickelt – wären irreversibel und vererbbar. Damit liegt sie auf der Linie des Deutschen Ethikrates, der Eingriffe in die menschliche Keimbahn per Crispr/Cas ebenfalls strikt ablehnt.
"Die Mutationen wären irreversibel und würden vererbt werden."
Christiane Nüsslein-Volhard hat Biologie, Physik und Chemie studiert. Ihre Hauptinteressensgebiete sind Genforschung und Entwicklungsbiologie. Bis 2014 hat sie als Direktorin die Abteilung Genetik des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen geleitet. Mittlerweile ist sie emeritiert, forscht aber weiter am MPI. Sie hat für ihre Arbeit zahlreiche wichtige Preise erhalten. Der wohl bedeutendste war Nobelpreis für Medizin, der ihr 1995 für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung verliehen wurde. Ihren Vortrag „Die Grenzen der Menschheit" haben wir am 30. Januar 2020 im Studio aufgezeichnet.
Ein weiterer Vortrag zum Thema Crispr/Cas9 wurde am 16.02.2020 gesendet.