Evgenija ist arm aufgewachsen. Sie hat sogar schon weniger Gemüse eingekauft, um Geld für Verabredungen mit ihren Friends zu haben. Weniger Geld zu haben, kann Freundschaften belasten. Doch das muss nicht sein.
Im Club läuft gerade der Lieblingssong. Wie wärs mit noch einem Drink – oder vielleicht sogar eine Runde Shots für alle? Aber der Eintritt war ja schon so teuer. Und das Ende des Monats nähert sich, der Kontostand schmilzt.
Evgenija kennt das Gefühl. Ihre Freundinnen im Studium haben einfach mehr Geld als sie. "Ich habe häufiger so getan, als hätte ich keine Zeit, weil ich wusste, ich sollte das finanziell nicht tun", erzählt die 25-Jährige. "Weil das oft leichter war als zu sagen, dass ich mir das nicht leisten kann."
Evgenijas Mitschüler*innen sind ganz anders aufgewachsen
Über Geld sprechen ist schwierig, auch unter Freund*innen. Vor allem, wenn man deutlich weniger hat als die anderen – oder das auch nur denkt. "Wenn das Thema aufkommt, ist das sehr anstrengend. Ich habe das Gefühl, ich möchte einen Teil von mir verstecken."
Evgenija sagt selbst von ihr, dass sie arm aufgewachsen ist. Als Kind fällt ihr das gar nicht so auf, weil es vielen in ihrem Viertel ähnlich geht. Als sie aufs Gymnasium geht, merkt sie, dass ihre Mitschüler*innen ganz anders aufgewachsen sind.
"Wenn ich sage, dass ich broke bin, heißt das, dass ich meine Miete vielleicht nicht bezahlen kann."
Sie sieht das etwa daran, dass andere Markenklamotten tragen. "Da habe ich zum ersten Mal Scham deshalb gespürt", sagt sie. Ein Gefühl, das sie bis heute prägt. Für Evgenija ein Extrembeispiel waren die Diskussionen über Klassenfahrten. Da sei es nur darum gegangen, an den cooleren Ort zu fahren, nicht an den günstigeren.

Im Studium merkt sie es in anderen Situationen: Wenn ihre Friends erzählen, dass sie broke sind und deshalb an ihr Sparbuch rangehen müssen. "Darüber habe ich mich geärgert. Wenn ich sage, dass ich broke bin, heißt das, dass ich meine Miete vielleicht nicht bezahlen kann."
"Es ist ein Skandal, dass es in einem Land, in dem sehr viel Geld vorhanden ist, so viele arme und abgehängte Menschen gibt."
Evgenija ist damit nicht allein. "Jeder vierte junge Mensch in der Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen ist armutsgefährdet oder gilt als arm", erklärt Silke Starke-Uekermann von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit. Bei den 14- bis 18-Jährigen sei es jeder Fünfte. "Aber auch da bleibt die Quote stabil."
"Es ist ein Skandal", ergänzt sie, "dass es in einem Land, in dem sehr viel Geld vorhanden ist, so viele arme und abgehängte Menschen gibt."
Auch in Freundschaften über Geld sprechen
Wie geht Evgenija damit um? Spricht sie in ihrem Freundeskreis darüber? "Ich hätte es mal tun sollen", sagt sie. "Aber ich traue mich einfach nicht." Neulich hat sie mit Freund*innen aus dem Studium einen Urlaub geplant. "Und ich hätte lieber noch einen Job angenommen, als zuzugeben, dass ich mir das nicht leisten kann", sagt sie.
Evgenija hat auch schon mal weniger Lebensmittel eingekauft, um nicht aus dem Raster zu fallen. Dabei weiß sie, dass ihre Friends sie nicht dafür verurteilen würden, dass sie weniger Geld hat. Doch die Scham ist sehr beständig, und die bekommen Kinder oft schon sehr früh mit.
Scham kann zu negativen Gefühlen in einer Freundschaft führen
Armut kann auch ganz konkrete gesundheitliche Probleme fördern: Wer weniger Geld hat, hat mehr Stress und einen höheren Cortisolspiegel. Eine erhöhte Cortisolausschüttung wirkt sich negativ auf Organe und das Immunsystem aus. "Wenn ich Dauerstress habe, ist das auch für den Körper stressig und ich werde schneller krank", sagt die Psychologische Psychotherapeutin Angelika Vandamme.
Sie sagt auch: Scham kann in einer Freundschaft dazu führen, dass negative Gefühle mitschwingen. Und auch ein Machtgefälle kann unangenehm sein, wenn ein Freund mit mehr Geld etwa öfter etwas ausgibt.
Der Wert einer Freundschaft ist unabhängig vom Geldbeutel
Angelika Vandamme rät dazu, grundsätzlich auch bei Geld offen miteinander zu sprechen: "Hey, ich habe nicht so viel Geld zur Verfügung, das ist mir unangenehm, aber wie können wir damit umgehen?" – Das könnte ein guter Satz sein, damit am Ende alle möglichst zufrieden sind und niemand schambehaftet zurückbleibt.
Doch es kann schwierig sein, wenn man der oder die eine ist, die aufs Geld achten muss. Erst einmal sollte man sich aber bewusst machen, dass man kein besserer oder schlechterer Mensch ist, wenn man mehr oder weniger Geld zur Verfügung hat, sagt Angelika Vandamme. Denn man kann trotzdem eine gute Freundschaft führen.
"Man kann das eigene Bedürfnis und die eigenen Wünsche äußern, und dann ist die andere Person dran. Dann ist es ein Gespräch auf Augenhöhe."
Der Wert, eine gute Freundin zu sein, ist nicht, sich alles leisten zu können, sondern für die anderen da zu sein, beim Umzug zu helfen oder bei einer Party noch aufzuräumen, wenn alle anderen schon gegangen sind. "So etwas macht den Wert einer Freundschaft aus und nicht, ob man ein dickes oder dünnes Portemonnaie hat", fasst sie zusammen.
Und auch für diejenigen, die mehr Geld haben als andere, hat sie einen Tipp: Menschen mit weniger Kohle mitdenken und bei Plänen – Essen gehen, Junggesellinnenabschied etc. – offen zu fragen, ob das okay ist. "Man kann das eigene Bedürfnis und die eigenen Wünsche äußern, und dann ist die andere Person dran. Dann ist es ein Gespräch auf Augenhöhe."
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