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2016 musste die polnische Regierungspartei PiS ihre Einschränkung des Abtreibungsrechts zurücknehmen. Jetzt hoffen Protestierende wieder darauf und haben zum Generalstreik aufgerufen.

Voraussichtlich von Anfang November an wird in Polen ein nahezu völliges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gelten. Zuvor hatte das Land bereits mit die striktesten Regeln für Abtreibungen in Europa. Am 22.10.2020 erklärte Polens oberstes Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, das Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus erlaubt.

Seitdem halten massive Proteste gegen die Regelung an (Stand 28.10.2020). Die Demonstrierenden fordern inzwischen auch den Rücktritt der Regierung. Die Frauenorganisation Ogólnopolski Strajk Kobiet, übersetzt in etwa Allpolnischer Frauenstreik, hat zum Generalstreik aufgerufen. Vergleichbare und erfolgreiche Proteste hat es auch 2016 gegeben, als das Abtreibungsrecht schon einmal verschärft werden sollte.

"Damals blieben 200.000 Frauen zu Hause. Danach nahm die Regierungspartei PiS den Vorschlag zurück."
Andreas Schmitt, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Ob der aktuelle Streik eine vergleichbare Wirkung wie 2016 enthalten wird, ist unklar, auch wegen der Covid-19-Pandemie. Auch in Polen hätten viele Menschen Angst, ihren Job zu verlieren, sagt Andreas, und viele weibliche Beschäftigte im Pflegebereich seien momentan in Quarantäne.

"Beim Pflegepersonal, wo der Frauenanteil hoch ist, sind 30 Prozent in Quarantäne. Da sind schon viele zu Hause. "
Andreas Schmitt, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Die politischen Reaktionen in Polen fallen gemischt aus. Rafał Trzaskowski, der liberalkonservative Oberbürgermeister von Warschau, unterstützt die Frauenbewegung. Er möchte ermöglichen, dass die Beschäftigten in der Stadtverwaltung streiken. Busse und Bahnen sollen eine Streik-Beflaggung bekommen. Er war im Sommer bei der Präsidentschaftswahl angetreten – verlor aber in der Stichwahl.

PiS bleibt unbeweglich

Die Regierung hat die Streiks verurteilt. Der Parteichef der Prawo i Sprawiedliwość – kurz PiS – Jarosław Kaczyński wählte in einer Ansprache drastische Worte. Wer streike und auf die Straße gehe, begehe ein Verbrechen. Zur Erklärung: Wegen der Corona-Pandemie gilt eine Art Ausgangssperre.

Seine Anhänger forderte Jarosław Kaczyński hingegen auf, Kirchen zu beschützen. Der Politiker behauptete, die Protestierenden wollten diese zerstören. Andreas weist darauf hin, dass es in den vergangenen Tagen unter anderem auch während Gottesdiensten Proteste gegeben hat.

Zaghafte Vermittlungsversuche

Einige moderate Vertreter in der Regierungsfraktion haben angeboten, einen runden Tisch zu bilden. Sie schlagen einen Trick vor: Das Urteil des Verfassungsgerichts zu Abtreibungen solle vorerst nicht im Amtsblatt veröffentlicht werden. Damit würde es nicht wirksam. Aussichten auf Erfolg habe diese Idee innerhalb der PiS allerdings wohl nicht, schätz Andreas ein.

Über die Situation in Polen haben wir zuvor am 27.10.2020 auch mit unserem Korrespondenten Florian Kellermann gesprochen. Er beschreibt die Auseinandersetzung im Parlament und erklärt detailliert das sehr weitgehende Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs, das in Zukunft in Polen gelten könnte. Er kommt zu dem Ergebnis: Gesamtgesellschaftlich sei die Verschärfung nicht mehrheitsfähig. Das ganz Gespräch könnt ihr mit einem Klick auf Play anhören.

Florian Kellermann, Dlf-Korrespondent für Polen
"Der Abbruch ist nicht mehr erlaubt, wenn der Fötus stark geschädigt ist, sogar wenn das Kind nicht überlebensfähig wäre."
Shownotes
Frauenrechte
Proteste gegen Abtreibungsverbot in Polen
vom 28. Oktober 2020
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Andreas Schmitt, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion