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Er warnt vor der Auslöschung Frankreichs und wird dafür von seinen Anhänger*innen gefeiert. Jordan Bardella könnte nächster Premierminister werden, wenn seine Partei Rassemblement National und die Verbündeten bei der anstehenden Parlamentswahl die nötige Mehrheit holen.

Mit 1,6 Millionen Follower*innen ist er nicht nur für einen Politiker ziemlich erfolgreich auf Tiktok. Jordan Bardella, erst 28 und schon seit zwei Jahren Vorsitzender der extrem rechten Partei Rassemblement National, begeistert unterschiedlichste Menschen: junge, Männer, Frauen und mitunter auch diejenigen, die einen Migrationshintergrund haben.

Denn die Partei, die immer noch rechtsnational und rechtsextrem ist, hat stark an ihrem Image und ihren Zielen gearbeitet. Strategisch poliert hat vor allem die frühere langjährigen Parteivorsitzende Marine Le Pen. Sie strich Positionen, die ihr in Frankreich keine Mehrheit brachten, wie den Austritt aus der EU und dem Euro, sagt Christiane Kaess, Deutschlandradio-Korrespondentin in Paris.

"Marine Le Pen hat über Jahre an der Normalisierung ihrer Partei gearbeitet, und das ist aufgegangen."
Christiane Kaess, Deutschlandradio-Korrespondentin in Paris

Leute, die sich antisemitisch äußerten, schmiss sie aus der Partei. Der prominenteste Fall ist ihr Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen. Indem sie sich sehr staatstreu gab, wurde sie für viele glaubwürdig, die zum Teil früher vor dem Rassemblement National warnten, fasst Christiane Kaess zusammen.

Prominentes Beispiel ist der Holocaustüberlebende Serge Klarsfeld, sagt Christiane Kaess. Früher warnte er immer wieder vor dem Rassemblement National, kurz RN. Inzwischen sagt er, er würde RN wählen, wenn es in der Stichwahl der anstehenden Parlamentswahl zu einer Entscheidung zwischen einem Kandidaten des Rassemblement National und der Linken Vereinigung Volksfront kommt.

Bardella: Underdog aus schwierigen Verhältnissen

So ist der RN scheinbar rechts der französischen Mitte angekommen, oder aber die Mitte ist nach rechts gerückt. Zumindest gilt die Partei als wählbar. Bardella setzt dem neuen Parteiimage die Krone auf. Seine Vorfahren stammen aus Italien, ein Großvater sogar aus Algerien.

Bardella inszeniert sich selbst als Aufsteiger. Aufgewachsen im sozialen Brennpunkt bei seiner alleinerziehenden Mutter habe er den Aufstieg sich selbst und seiner harten Arbeit zu verdanken, berichtet DLF-Nova-Reporterin Minh Thu Tran. Dass sein Vater, ein Unternehmer, genug Geld hatte, seinem Sohn eine kostenpflichtige halbprivate Schule zu bezahlen, erwähnt er dagegen weniger häufig.

"Es gibt Leute wie mich, die aus diesen Vierteln stammen und die es geschafft haben, sich vollständig zu integrieren."
Jordan Bardella, Vorsitzender der Partei Rassemblement National [Anm.d.Red .: dt. Übersetzung]

Mit 17 Jahren ist Bardella in den Front National eingetreten, wie die Partei bis zur ihrer Umbenennung 2018 hieß. Dann ging es ganz schnell mit der Karriere, sagt Minh Thu Tran. Er wurde erst Parteisprecher, dann Leiter der Jugendorganisation der Partei. Bereits für die Europawahl 2019 hat Marine Le Pen den damals 23-Jährigen zum Spitzenkandidaten gemacht.

"Er sagt immer wieder öffentlich, wem er seinen Aufstieg zu verdanken hat, nämlich Marine Le Pen."
Minh Thu Tran, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

2022 wurde Bardella Parteichef. Marine Le Pen jedoch ist weiterhin die bestimmende Kraft und Galionsfigur der Rechten, so Minh Thu Tran. Bardella weiß das und zeigt sich gerne an ihrer Seite, reproduziert dabei gekonnt die inzwischen wenngleich in Watte gepackten doch immerwährenden Feindbilder: Migration und EU. Sie drohen laut Bardella Frankreich "auszulöschen".

Wahlkampfversprechen: billigeres Benzin, schnellere Abschiebungen

Nun steht die vorgezogene aus zwei Runden bestehende Parlamentswahl am 30. Juni und 7. Juli bevor. Die Wahlkampfthemen der RN sind im Prinzip dieselben wie schon im Europawahlkampf, sagt Deutschlandradio-Korrespondentin in Paris Christiane Kaess. Kaufkraft, Migration und Sicherheit.

Wenn es nach Bardella geht, soll die Mehrwertsteuer bei Energiepreisen und Benzin von 20 auf 5,5 Prozent gesenkt werden. Abschiebungen sollen beschleunigt und medizinische Leistungen für illegale Einwanderer abgeschafft werden, zählt Christiane Kaess auf.

Von einem Austritt aus der EU ist keine Rede mehr, dafür wird an erste Stelle Frankreich und seine Interessen gesetzt. Wenn es nach Bardella ginge, würde von der Europäischen Union wohl nicht viel übrigbleiben. Er favorisiert etwas, was einem losen Staatenverbund gleichkäme. Staaten sollen für sich entscheiden, Grenzkontrollen sollen zumindest für Nichteuropäer*innen wiedereingeführt werden. Eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU lehnt Bardella ab.

Ob er viele der Gesetzesvorhaben überhaupt durchbringen würde, ist fraglich, sagt Christiane Kaess, weil es für sie entweder eine Verfassungsänderung bräuchte oder eine Zustimmung des französischen Senats beziehungsweise des Präsidenten, in dem Fall Macrons.

"Ich kann mir schwer vorstellen, wie Präsident Macron und ein möglicher Premierminister Bardella zusammenarbeiten könnten."
Christiane Kaess, Deutschlandradio-Korrespondentin in Paris

Bei der Europawahl räumte in Frankreich das rechtspopulistische und rechtsextreme Lager, allen voran des Rassemblement National ganz klar ab. Die regierende Partei um Staatspräsident Emmanuel Macron hingegen fuhr enorme Verluste ein, weswegen Macron die Nationalversammlung auflöste. Ob sich der Erfolg der RN bei den anstehenden Neuwahlen wiederholt, wagt keiner zu prognostizieren. Meinungsforscher, erklärt Christiane Kaess, weisen darauf hin, dass Umfragen bei der Parlamentswahl sehr unsicher sind.

Bardella jedoch hat bereits angekündigt, am liebsten mit der rechtskonservativen Partei Les Républicains in einem Bündnis (Koalitionen wie in Deutschland gibt es in Frankreich nicht) zusammenzuarbeiten. Dann wäre der extrem rechte RN womöglich noch ein bisschen mehr in der Mitte angekommen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Rechter Shootingstar
Frankreich: Was will Jordan Bardella?
vom 19. Juni 2024
Moderation: 
Nick Potthoff
Gesprächspartnerin: 
Christiane Kaess, Deutschlandradio-Korrespondentin in Paris
Gesprächspartnerin: 
Minh Thu Tran, DLF-Nova-Reporterin