Dem französischen Parlament wird heute der Entwurf für ein Gesetz vorgelegt, das ein härteres Vorgehen gegen gewalttätige Demonstranten ermöglichen soll. Der von der Regierung vorangetriebene Vorstoß wird scharf kritisiert.
Seit Wochen gehen in Frankreich regelmäßig Zehntausende auf die Straße um zu demonstrieren. Bei den Gelbwesten-Protesten eskaliert dabei regelmäßig die Gewalt. Vor allem in Paris. Deshalb gibt es seit einiger Zeit eine Gegenbewegung zu den Gelbwesten-Protesten: Die Rotschals. Sie demonstrieren gegen die Gewalteskalation.
Die Regierung hat die Gelbwesten-Proteste trotz der Eskalationen bislang geduldet und geschützt. Und das, obwohl die Demonstrationen vorher nicht angemeldet waren. Denn auch in Frankreich gibt es ein Demonstrationsgesetz, das festlegt, dass größere Protestaktionen und Demonstrationen angemeldet werden müssen.
Heute (29.01.2019) Nachmittag wird der Nationalversammlung, einer der zwei Kammern des französischen Parlaments, nun ein Gesetzentwurf für eine Verschärfung des Demonstrationsrechts vorgelegt. Die Opposition sagt: Das ist so gar nicht nötig.
Der Entwurf sah unter anderem vier entscheidende Punkte vor:
- härtere Strafen für unangemeldete Demonstrationen
- Hochstufung von Ordnungswidrigkeit zu Straftat für vermummtes Demonstrieren
- leichteres Verbot von Demonstrationen durch örtliche Verwaltungen
- Einführung eines Registers für möglicherweise gewaltbereite Demonstranten
Widerspruch zum französischen Freiheitsgedanken
Die Regierung sagt, sie hält diese Maßnahmen für nötig, um weiter friedliche Proteste zu ermöglichen, Krawallmacher aber von diesen Demonstrationen fernzuhalten. Gerade der letzte Punkt des Gesetzesentwurfs wird massiv kritisiert, sagt Korrespondent Marcel Wagner, weil darin auch beinhaltet ist, dass Personen in den Registern nicht mehr zu Demonstrationen gehen dürfen.
"Das ist echt eine harte Nuss. Jemandem verbieten zu demonstrieren, das geht natürlich eigentlich nicht."
Die große Frage, die sich auch die Opposition gestellt hat: Wie soll eigentlich bestimmt werden, wer gewaltbereit ist? Das Recht dazu hat der Polizeipräfekt, aber der ist eben kein Richter. Das heißt, es bestimmt jemand aus der Verwaltung darüber, ob jemand demonstrieren darf oder nicht. Es wird damit über ein Grundrecht bestimmt: die Demonstrationsfreiheit – und die hat in Frankreich besonders viel Bedeutung.
"Diese Liberté, die Freiheit, die hängt hier ziemlich hoch. Und deswegen hat eben die Regierung bis jetzt alles getan, die Demonstranten zu schützen, ihnen zu ermöglichen zu demonstrieren, obwohl die Demos meistens nicht angemeldet waren."
Der Entwurf war im Oktober schon von den konservativen Republikanern in die andere Kammer des französischen Parlaments, den Senat eingebracht worden. Dort war er aber steckengeblieben. Jede der Kammern hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen, entschieden werden müssen sie von beiden Kammern. Auf Betreiben der Regierung kommt der Entwurf nun also auch vor die Nationalversammlung. In einer entschärften Version allerdings. Denn Abgeordnete der Regierungsmehrheit haben wohl eingesehen: So, wie der Gesetzesentwurf ursprünglich geplant war, kann er nicht umgesetzt werden. Deshalb wurde er abgeschwächt, bevor er der Nationalversammlung vorgelegt wurde. Zum Beispiel ist das Demonstranten-Register quasi vom Tisch. Und trotzdem hagelt es Kritik.
Bestehende Gesetze würden ausreichen
Korrespondent Marcel Wagner ist wenig überzeugt, dass ein solches Gesetz an der Situation viel ändern könnte. Denn bislang sind die Proteste so verlaufen, dass sich die Demonstranten irgendwo in Paris getroffen haben, um zu demonstrieren. Die Polizei hatte gar keinen wirklichen Überblick über die Situation.
"Wenn die Demonstranten das so weitermachen wollen, dann hilft auch kein Gesetz. Dann kannst du noch mehr Leute festnehmen, kannst noch mehr Leute ins Gefängnis stecken. Aber damit schürst du am Schluss nur neuen Ärger."
Nach Einschätzung von Marcel Wagner wollte vor allem Premierminister Eduard Philipp "mal Muskeln zeigen" und seinen konservativen Parteifreunden demonstrieren, dass er wirklich hart durchgreifen kann. Aber für wirklich sinnvoll hält Marcel Wagner das neue Gesetz nicht - vor allem in der neuen, abgeschwächten Form: "Da hätte man es so lassen können, wie es war."
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