Die Ahle Wurscht von der hessischen Oma war bei Food-Aktivist Hendrik Haase der Auslöser. Massenware, Discounter und Supermärkte verdrängen das Metzgerei-Handwerk. Damit gehen auch regionale Lebensmittel wie die Ahle Wurscht verloren, deren Rettung hoch politisch ist, sagt der Aktivist.
Dass in der Wurst viel Politik steckt, weiß Hendrik Haase. Über seine Recherchen zum Lebensmittelmarkt ist er auf die Slow Food Bewegung gestoßen. Während einer internationalen Konferenz der Bewegung wuchs in ihm das Bewusstsein, dass jeder über sein Konsumverhalten und seinen Lebensmittelverbrauch nachdenken sollte.
"Das Politischste, was du in der Küche tun kannst, ist selber kochen."
Hendrik ist per Zufall unter die Metzger gegangen. In Berlin Kreuzberg plante er für ein Food-Festival eine Wurstwerkstatt, zusammen mit der Markthalle in Kreuzberg. Darüber lernte er den Metzgereimeister Jörg Förstera kennen, mit dem er die Wurstwerkstatt dann eingerichtet hat: Einen gläsernen Pavillon, in dem bis zu 20 Metzger aus ganz Deutschland zeigten, wie Wurst gemacht wird.
Transparente Wurstmanufaktur
Danach haben Jörg und Hendrik zusammen die "gläserne Metzgerei" für die Kreuzberger Markthalle geplant und 2015 eröffnet. Sie beziehen Fleisch nicht nur aus artgerechter Haltung, sondern sie verarbeiten es auch anders zu Wurst als die großen Wurstfabriken oder andere Metzger. Hendrik verwendet frische Gewürze und Kräuter wie beispielsweise Petersilie und keine Gewürzmischungen, wie das inzwischen bei den Metzgern üblich ist.
"Bei uns kaufen jetzt nicht nur die bärtigen Hipster ein, sondern auch Omas aus Steglitz, die extra mit der Bahn zu uns fahren, weil sie sagen: Die Leberwurst schmeckt halt wie früher."
Nach seiner Food-Philosophie kann von den Tieren alles verarbeitet werden. In der Regel wird beim Schlachten viel zu viel weggeschnitten und -geschmissen, was wir heute nicht mehr kennen. In seiner Metzgerei wird das ganze Tier verwendet. Neben dem Filet liegt dann auch mal der Schweinefuß oder Innereien.
"Wer weiß, wie eine Schweinebacke schmeckt? Wer weiß, dass man aus einem Schweinefuß eine wunderbare Erbsensuppe kochen kann? All diese Sachen sind aus den Metzger-Theken verschwunden."
Anlass für sein Buch "Crafted Meat. Die neue Fleischkultur: Rezepte, Handwerk und Genuss" war die Beobachtung, dass weltweit eine Bewegung von Menschen entstanden ist, die sagen: "So kann es nicht weitergehen! Wie können wir Lebensmittel anders produzieren?" Bei Food-Festivals treffen sich diese Menschen, die allesamt der jüngeren Generation angehören, sagt Hendrik. Er will die jungen Metzgergesellen aus den verkachelten Hinterzimmern der Metzgereien herausholen und ihr Handwerk zeigen. Bei einem seiner letzten Food-Festivals nahmen auch zehn Metzgermeisterinnen aus ganz Deutschland teil, die alle Anfang-, Mitte zwanzig waren.
Mit seinem Buch will Hendrik auch Antworten auf die Frage geben: Wie kann ich nachhaltiger Fleisch konsumieren? Denn wenn wir als Konsumenten nicht einfach in den nächsten Supermarkt latschen, sondern noch ein paar Meter weiter zum nächsten Metzger, dann könnten wir dort auch mehr über das Produkt Fleisch und Wurst erfahren und bewusster einkaufen, meint er.
"Unsere Generation, die in den 80er, 90er Jahren geboren wurde, krempelt diesen Lebensmittelmarkt zum Positiven, jedenfalls kreativ, um."
Wurst isst Hendrik ein- bis zweimal die Woche, ansonsten isst er viel Gemüse und liebt Kartoffeln. Wenn er Fleisch isst, dann am liebsten mit mehreren Leuten zusammen. Seine Erfahrung ist, eher nicht jedem ein Riesensteak auf den Teller zu legen, sondern ein gute Scheibe Fleisch, im Backofen gegart. Übrigens: Mit seinen Schnippel-Diskos engagiert sich Hendrik auch gegen die Entsorgung von Lebensmitteln - indem er regelmäßig zusammen mit anderen Leuten das Teils noch gute Gemüse schnippelt und daraus Suppe kocht. Beim ersten Mal kamen ein paar Hundert Gäste, inzwischen sind es um die 1000.