Laut der Umweltorganisation Urgewald stehen bei der Öl- und Gasindustrie alle Zeichen auf Expansion: Anstatt auf erneuerbare Energien zu setzen, schauen die Unternehmen demnach sogar, wo sie neue Märkte erschließen können.

Damit der Klimawandel nicht noch weiter verstärkt wird, braucht es einen Wechsel: weg von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas hin zu erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft. Das ist seit vielen Jahren klar. Ein Datenanalyse der Umweltorganisation Urgewald stellt aktuell aber genau das Gegenteil fest: Öl und Gas sollen demnach weiterhin gefördert werden – und das im großen Stil.

Öl- und Gasunternehmen unter der Lupe

Diese Erkenntnis zieht die Umweltorganisation aus der gerade aktualisierten GOGEL-Datenbank, die die Organisation selbst aufgebaut hat und für die sie mit anderen Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeitet. GOGEL steht für Global Gas and Oil Exit List.

Die Datenbank umfasst laut Urgewald derzeit über 1.600 Unternehmen, die Öl und Gas fördern oder neue fossile Infrastruktur entwickeln, und wertet zum Beispiel deren Jahresberichte aus. Zusammen sollen die gelisteten Firmen für 95 Prozent der weltweiten Produktion von Öl und Gas verantwortlich sein.

Expansion trotz Klimawandel

Mit ihren Partnerorganisationen hat Urgewald nun gerade ein Update der Datensammlung veröffentlicht. Und demnach sind weltweit fast alle der gelisteten 700 Förderunternehmen aktuell auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern oder erschließen sich diese und mehr als 1.000 der untersuchten Infrastruktur-Unternehmen haben Erweiterungspläne.

"Das Ausmaß dieser fossilen Expansionspläne ist erschreckend. Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, ist ein schneller, kontrollierter Rückgang der Öl- und Gasproduktion essenziell. Stattdessen sorgt die Industrie dafür, dass sich die Klimakrise immer weiter zuspitzt."
Nils Bartsch, Leiter der Öl- und Gas-Recherche bei Urgewald

Gehen die Unternehmen tatsächlich so vor, wie aktuell geplant, wird das 1,5-Grad-Ziel hinfällig, warnt die Umweltorganisation. Auch das Argument, fossile Brennstoffe als Übergangslösung zu nutzen, bis Solar- und Windkraft flächendeckend Energie liefern, kritisiert sie.

Moritz Schröder-Therre, Pressesprecher von Urgewald, wirft den Konzernen ein erschreckendes Ausmaß von Klima-Ignoranz vor.

Das komplette Gespräch mit Moritz Schröder-Therre von Urgewald gibt es hier zum Nachhören:
"In den vergangenen drei Jahren hat die Öl- und Gasindustrie sogar mehr Geld für Investitionen in die Hand genommen."

Deutschlands Importe von Flüssigerdgas

In ihrer Analyse geht die Umweltorganisation auch auf die Pläne in Deutschland ein. Beim Heizen und für die Produktion in Fabriken setzten wir aktuell auf Flüssigerdgas (LNG) als Übergangslösung, das langfristig durch Wasserstoff ersetzt werden soll.

LNG wird allerdings oft durch Fracking gewonnen, was umstritten und in vielen Ländern – auch Deutschland - verboten ist. Unter anderem, weil es zu mehr Erdbeben und Umweltverschmutzung führen kann, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Ann-Kathrin Horn. Auch kann es der der Gesundheit schaden.

Laut der aktuellen Analyse von Urgewald ist Deutschland nach China aber das Land, das den Import von Fracking-Gas weltweit am stärksten ausbauen will.

Greenwashing: Genau hinschauen

Die Umweltorganisation mahnt daher, bei Öl- und Gasunternehmen genau hinzusehen und darauf zu achten, ob sie nach außen mit einem grünen Image werben, aber letzten Endes weiter ihre fossilen Brennstoffe fördern.

"Geldgeber und Investoren müssen erkennen, dass sich diese Industrie nicht freiwillig verändern wird."
Regine Richter, Energie- und Finanz-Campaignerin bei Urgewald

Zudem sieht Urgewald auch Banken und Geldgeber in der Verantwortung, kritisch zu hinterfragen, in welche Unternehmen sie investieren. "Private und öffentliche Finanzinstitutionen, Versicherer, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken müssen der fossilen Expansion den finanziellen Boden entziehen", forderte die Organisation bei der Vorstellung ihres aktuellen Datenbank-Updates.

Shownotes
Datenanalyse zu Klimaschutz
Öl- und Gasindustrie möchte im großen Stil weitermachen
vom 15. November 2023
Moderatorin: 
Anke van de Weyer
Gesprächspartnerin: 
Ann-Kathrin Horn, Deutschlandfunk Nova