Fluorid ist in fast jeder Zahnpasta, weil es gegen Karies hilft. In den USA wird dem Trinkwasser deshalb Fluorid zugesetzt. Doch das soll jetzt aufhören, sagt der neue US-Gesundheitsminister. Manche halten Fluorid sogar für giftig. Was ist da dran?
Wer in sozialen Medien etwas zu Fluorid liest, findet schnell alarmierende Kommentare: Fluorid sei giftig und verringert angeblich den IQ von Kindern. Die Diskussion gibt es schon länger. Sie gewann zuletzt aber an Fahrt, als der neue US-Gesundheitsminister und Impfgegner Robert Kennedy junior ankündigte, dem Trinkwasser kein Fluorid mehr zusetzen zu lassen.
Warum gibt es so viele Ängste vor Fluorid? Verena von Keitz, Wissenschaftsjournalistin bei Deutschlandfunk Nova, glaubt, dass viele Menschen das Gefühl haben, ihnen werde Fluorid aufgedrängt – in der Zahnpasta oder im Trinkwasser. Da schwinge die Angst mit, dass Fluorid unnatürlich sei, vermutet sie.
Keine Fluoridierung in deutschem Trinkwasser
"Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass Fluorid in großen Mengen in der Natur vorkommt. Je nach Region ist es natürlicherweise in höherer oder geringerer Konzentration im Trinkwasser enthalten", erklärt sie.
In einigen Teilen der Welt enthält das Wasser aus geologischen Gründen mehr Fluorid als in Europa oder den USA. Dort, also in den USA, wurde deshalb zumindest bislang Fluorid zugesetzt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird das Trinkwasser nicht fluoridiert. Vor allem in Indien, China, aber auch in einigen afrikanischen Ländern ist das Trinkwasser dagegen natürlicherweise zu fluoridhaltig.
Zu viel Fluorid schadet
Diese hohen Mengen im Trinkwasser sind verantwortlich dafür, dass Menschen Probleme mit Zähnen oder Knochen bekommen können. Wenn Fluorid in größerer Menge in den Zahnschmelz eingebaut wird, sorgt es für unschöne Verfärbungen. Das passiert hauptsächlich im Kindesalter.
"Und in großen Mengen ins Skelett eingebaut, kann Fluorid dazu führen, dass die Knochen brüchig werden", ergänzt Verena von Keitz. Das macht die Sache mit Fluorid so kompliziert: Denn bis zu einer gewissen Menge schützt Fluorid den Zahnschmelz vor Karies.
Fluorid in Europa deutlich unter Grenzwert
"Deshalb hat man ja nach dem zweiten Weltkrieg überhaupt angefangen damit, Trinkwasser zu fluoridieren – um die Zahngesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Das hat tatsächlich funktioniert", sagt die Wissenschaftsjournalistin.
Aber zu viel darf es eben auch nicht sein, deshalb wird der Fluorid-Wert in Europa überwacht. "Wir haben in Europa einen Trinkwasserhöchstwert von maximal 1,5 Milligramm pro Liter. In Wirklichkeit ist das, was im Mittel im Wasser in der EU vorkommt, 0,13 Milligramm", erklärt der Toxikologe Jan Hengstler vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.
Fluorid-Zahnpasta ist sinnvoll
Diese 1,5 Milligramm Fluorid pro Liter Trinkwasser ist die Menge, die die WHO als sicher ansieht. Aber in vielen Teilen Europas liegt der Wert deutlich darunter. Deshalb ist es eine gute Idee, fluoridierte Zahnpasta zu benutzen. "Deren Vorteil ist auch, dass das Fluorid direkt am Zahn wirkt, wo es nützt, und keinen Umweg durch den Körper macht“" erklärt Verena von Keitz.
Auch die Bundeszahnärztekammer stellt klar: Fluoridhaltige Zahnpasta ist sicher und schützt wirksam vor Karies. Die Fluorid-Mengen in Zahnpasta sowie in manchen Speisesalzen sind so gering, dass eine Vergiftung nicht möglich ist.
Kein Einfluss auf die Intelligenz
Angeblich hat Fluorid nicht nur Auswirkungen auf Knochen, sondern auch auf die Intelligenz. Denn man weiß aus Tierversuchen, dass sehr hohe Fluorid-Dosen das Nervensystem schädigen können.
"Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es bei den Expositionen, die in Europa auftreten, zu keinem Einfluss auf die Entwicklung der Intelligenz kommt."
Eine aktuelle Übersichtsarbeit von Anfang Januar, die andere Studien zu der Frage ausgewertet hat, sagt: Je höher das Fluorid im Trinkwasser über diesen Höchstwert von 1,5mg/l steigt, umso niedriger ist der IQ von Kindern.
Aber: An dieser Studie gibt es sehr viel Kritik. Ein Großteil der eingeschlossenen Studien kam aus Ländern wie China und Indien – also aus Ländern, in denen Fluorid natürlicherweise in hohen Mengen im Trinkwasser vorkommt. "Und viele waren von eher geringer wissenschaftlicher Aussagekraft", erläutert Verena von Keitz.
Bei solchen epidemiologischen Bevölkerungs-Studien können die Ergebnisse zur Intelligenz von Kindern auch ganz andere Gründe haben, die aber hier nicht überprüft wurden. Der Toxikologe Jan Hengstler hat selbst zu dieser Frage geforscht. Er sagt: "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es bei den Expositionen, die in Europa auftreten, zu keinem Einfluss auf die Entwicklung der Intelligenz kommt."