Stadttauben sind extrem umstritten. Für die einen sind sie die Ratten der Lüfte, für die anderen sind sie im Stadtbild unverzichtbar. Die Wahrheit über Tauben liegt irgendwo dazwischen.
Was genau eine Stadttaube ist
Stadttauben sind fast eine eigene Art, sagt der Deutschlandunk-Nova-Biologe Mario Ludwig. Stadttauben stammen nämlich von verwilderten Haus- und Brieftauben ab. Und das sind wiederum Zuchtformen der Felsentaube, einer Taubenart, die in Eurasien und Teilen Afrikas zu Hause ist. Stadttauben gab es schon in der Antike.
Der Mythos der Übertragung von Krankheiten
Die gesundheitliche Gefahr, die von Tauben ausgeht, wird oft übertrieben. Natürlich werden Tauben – wie alle anderen Tiere auch – krank und können die Erreger dieser Krankheiten auf anderer Tiere oder den Menschen übertragen.
Allerdings sind die meisten Erreger bei Tauben wirtsspezifisch. Das bedeutet, dass ihre Erreger nur bei Tauben zu finden sind und damit gar nicht auf den Menschen übertragen werden können. Oft noch nicht einmal auf andere Vogelarten. So hat bereits 1989 der Präsident des Bundesgesundheitsamtes erklärt, dass von Tauben keine größere Gefährdung ausgehe als von anderen Tieren.
"Eine gesundheitliche Gefährdung durch Tauben ist nicht größer, als die durch Zier- und Wildvögel sowie die durch Nutz- und Liebhabertiere."
Diese Aussage wurde 2001 durch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin noch einmal bestätigt.
Taubenkacke und Gebäudeschäden
Eine einzige Stadttaube produziert pro Jahr rund drei Kilogramm Kot. In München leben etwa 30.000 Stadttauben, die demnach 90 Tonnen Taubenkot pro Jahr in der Stadt verteilen. Das ist nicht gerade wenig und ziemlich eklig.
"Unbestritten ist: Eine Stadttaube produziert eine Menge Scheiße."
Allerdings ist umstritten, in wieweit Taubenkot Gebäude schädigen kann. Während Schädlingsbekämpfungsfirmen immer wieder berichten, dass die saure Taubenkacke vor allen an Kalksteinen Schäden verursacht, kommt eine Studie der TU Darmstadt aus dem Jahr 2004 zu einem anderen Ergebnis.
Danach versuche der Taubendreck auf gängigen Bausubstanzen wie Sandstein, Granit, Beton und Zement keine Schäden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine australische Studie. Hier kommen die Forscher zu dem Schluss, dass minderwertige und artfremde Nahrung (Brot, Kuchen) den pH-Wert des Kotes deutlich senkt. Und je niedriger der pH-Wert, desto saurer der Kot, sprich desto stärker ist der mögliche Schaden am Gebäude.
Noch bis weit in die 1930er Jahre gab es verhältnismäßig wenig Tauben in deutschen Städten. Dies änderte sich allerdings sehr schnell nach dem Zweiten Weltkrieg: Denn die durch die Bomben der Alliierten entstandenen Ruinenstädte boten für die Felsenbrüterin Taube ideale Brutbedingungen geboten. Später kam noch die Wohlstands- und Überflussgesellschaft dazu. Ab da gab es für die Tauben Futter in rauen Mengen. Beides hatte zur Folge, dass die Taubenbestände förmlich explodiert sind.
Warum so viele Tauben in Städten unterwegs sind
Mittlerweile leben rund 500 Millionen Tauben weltweit in der Stadt. Und es ist eben vielerorts zu den unangenehmen Erscheinungen gekommen, wie Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie Taubendreck an Gebäuden. Nachteile haben davon jedoch nicht nur taubengeplagten Städter. Auch für die Tauben selbst hat diese Massenvermehrung große Nachteile gebracht. Der Stress der Tiere hat zugenommen, Krankheiten und Parasiten treten häufiger auf.
Wie die Probleme in der Stadt gelöst werden können
In der Vergangenheit hat es viele Versuche gegeben, das Taubenproblem in den Griff zu bekommen: Fütterungsverbote, Vergiftungen oder Vergrämungsmaßnahmen. Dazu gehört, die Tauben mit Netzen, Spikes – Spitzen auf Simsen und Dächern - von den Gebäuden zu vertreiben. Der Erfolg war eher überschaubar. Es gibt nur eine einzige, erwiesenermaßen wirkungsvolle und auch tiergerechte Maßnahme, um Taubenpopulationen langfristig zu regulieren. Sie besteht darin, die Tauben in betreuten Taubenschlägen oder Taubentürmen anzusiedeln, wo man ihre Eier gegen Gipsimitate austauschen kann. Allerdings wird diese Methode in vielen Städten noch nicht angewandt.