Im Oktober hat die Bundesregierung ein sogenanntes Rückführungsabkommen mit Afghanistan abgeschlossen. Zwei große Sammel-Abschiebungen gab es schon, im Dezember und im Januar. 60 Afghanen wurden dabei abgeschoben – mehr als in den letzten fünf Jahren insgesamt.
Jürgen Webermann ist gerade in Kabul und hat dort einige der Flüchtlinge getroffen, die aus Deutschland abgeschoben wurden. Die Menschen stehen praktisch noch völlig am Anfang und wissen nicht, was sie tun sollen, sagt er. Er habe etwa einen Afghanen getroffen, der verstecke sich in einem Tempel und habe Angst rauszugehen, weil die Sicherheitslage schlecht ist.
"Er glaubt, dass die Leute denken, er hätte Geld, weil er aus Deutschland zurückkommt."
Ein anderer abgeschobener Flüchtling lebe jetzt bei seinem Onkel, suche nach Arbeit und wisse nicht, wie er seine Geschwister durchbringen soll. Viele Afghanen würden darüber nachdenken, nach Deutschland zurückzugehen. De facto müssten sie dafür aber erstmal Geld auftreiben.
Existentielle Nöte
Einen Job aufzutreiben sei momentan extrem schwierig, weil es in Kabul kaum Arbeit gebe. Manche kommen aber auch zurück, könnten wieder in den alten Job zurückgehen – sind aber zu stolz, diese Arbeit wieder anzunehmen. Diese Menschen tauchen unter, berichtet Webermann.
"Viele Rückkehrer können mit dem Gesichtsverlust nicht umgehen."
Manche der Rückkehrer seien in größerer Gefahr als die, die dageblieben sind – etwa ein Musiker, der Taliban-kritische Lieder geschrieben hat. Oder ein anderer, der Hindu ist. Religiöse Minderheiten werden in Afghanistan häufig diskriminiert. Das seien schon Fälle, die sehr grenzwertig sind, sagt Webermann. Bei den anderen überwiege eher das Gefühl, dass die allgemeine Sicherheitslage schlecht ist – und das man in Afghanistan einer großen Perspektivlosigkeit ausgeliefert ist.
Schwierige Situation
Auf der Liste der Herkunftsländer lag Afghanistan sowohl 2015 als auch 2016 auf Platz 2. Im Moment leben in Deutschland nach Angaben des Bundes rund 12.500 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige. Mehr als 10.000 davon haben eine "Duldung", das heißt, sie dürfen vorerst in Deutschland bleiben – etwa wegen einer schweren Krankheit oder fehlender Papiere.
Gleichzeitig hat die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten in Afghanistan nach einem neuen Bericht der Vereinten Nationen einen neuen Höchststand erreicht. Allein 3512 Kinder seien 2016 dem neu aufgeflammten Krieg zwischen den Taliban und der Regierung zum Opfer gefallen. Das sind 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Fast jedes dritte Opfer sei nun ein Kind.
Abschiebung nur noch in Einzelfällen?
Mehrere von SPD und Grünen regierte Länder wollen abgelehnte Asylbewerber nur noch in Einzelfällen nach Afghanistan abschieben.
Dazu zählen Rheinland-Pfalz, Berlin, Bremen und Niedersachsen. Auch Webermann teilt diese Einschätzung: In Afghanistan sei es einfach nicht sicher genug.
"Anschläge gehören hier zum Alltag. Gerade gestern gab es in Kabul wieder einen Anschlag am Obersten Gericht – mehr als 20 Menschen sind dabei getötet worden."
Außerdem müsse das Land wegen des Krieges Millionen Binnenflüchtlinge verkraften, Rückkehrer auch aus Ländern wie Pakistan. Dazu kämen Opfer, die an Krankheiten, Kälte oder Mangelernährung sterben. In Kabul werde es nachts momentan bis zu -10 Grad.