Kriminologen haben sich die Zunahme von Gewaltverbrechen in Niedersachsen genau angesehen. Die wichtigsten Ursachen: die zahlreichen Flüchtlinge - und mangelhafte Prävention.
Kriminologen haben am Beispiel Niedersachsens die Entwicklung der Gewaltkriminalität vor allem bei Flüchtlingen untersucht (PDF). Nach einem jahrelangen deutlichen Rückgang stiegen die Gewalttaten in dem Bundesland in den Jahren 2015 und 2016 demnach um 10,4 Prozent an. Zu 92,1 Prozent sei diese Zunahme Flüchtlingen zuzurechnen.
Als Resultat fordern die Experten eine bessere Vorbeugung gegen Gewaltkriminalität. Sprachkurse, Sport und Berufspraktika auch für Zuwanderer ohne Bleibeperspektive könnten dem Kriminalitätsrisiko entgegenwirken, erklärten der frühere Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer und weitere Autoren der im Auftrag des Bundesfamilienministeriums angefertigten Studie.
Gewalt als Männerproblem
Knapp zwei Drittel der in Niedersachsen registrierten Gewalttaten von Flüchtlingen seien jungen Männern zuzurechnen, die "in jedem Land der Welt" bei Gewalt- und Sexualdelikten deutlich überrepräsentiert seien. Dabei spielten auch "gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen" in den überwiegend muslimischen Herkunftsländern eine bedeutende Rolle.
Auf der anderen Seite wirkt sich der geringe Frauenanteil unter den Flüchtlingen aus. "Frauen zivilisieren die Männer", sagte Pfeiffer im ZDF-Morgenmagazin. Das Fehlen von Partnerinnen, Müttern oder Schwestern sei ein "Problem", die Forderung nach Familiennachzug aus kriminologischer Sicht daher sinnvoll.
Bleibeperspektive macht den Unterschied
Als bedeutenden Faktor sehen die Experten auch den Aufenthaltsstatus. Wer als Kriegsflüchtling komme oder aus anderen Gründen gute Chancen sehe, in Deutschland bleiben zu dürfen, "wird bemüht sein, diese Aussichten nicht durch Straftaten zu gefährden", heißt es in der Studie. Der Anteil von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan unter den Tatverdächtigen sei deutlich geringer als jener von Nordafrikanern, die kaum eine Bleibeperspektive haben.
Die Experten geben zu bedenken, dass die Unterbringung von Menschen unterschiedlicher Religionen in beengten Flüchtlingsheimen Gewaltkonflikte begünstige. Sie weisen auch darauf hin, dass Gewaltdelikte von Flüchtlingen im Vergleich zu denen deutscher Täter eine höhere Anzeigenquote haben:
"Wenn der Täter Ausländer ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer Anzeige erstattet."
Insgesamt handelt es sich bei rund einem Drittel der Gewaltopfer um andere Flüchtlinge. Mehr als 91 Prozent der Tötungsdelikte, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden, betreffen demnach andere Flüchtlinge oder Ausländer. Dies treffe auch bei drei Vierteln der Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung zu. Bei den Raubdelikten waren die Opfer dagegen zu 70 Prozent Deutsche. Auch bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung dominieren deutsche Opfer.
Zur effektiven Kriminalitätsprävention fordern die Experten ein breit angelegtes Programm für die freiwillige Rückkehr in die Heimatländer. Nötig seien dafür nicht nur finanzielle Anreize. Vielmehr sollten auch Flüchtlingen ohne Bleibeperspektiven Zugang zu Sprachkursen und Praktika haben, um ihnen bei der Arbeitssuche in der Heimat zu helfen.
Nicht zuletzt braucht Deutschland nach Ansicht der Experten ein Einwanderungsgesetz, das klare Vorgaben enthält, unter welchen Bedingungen Zuwanderer eingebürgert werden können. Auch dadurch entstünden Präventionseffekte.
Mehr zum Thema:
Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland. Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer. (PDF)
Zusammenfassung des Gutachtens (PDF)
Kriminalitätsstatistik 2016: Mehr Vergewaltigungen, aber...