"Hi, I'm from Britain", sagte Johnny beim Kennenlernen. Doch das stimmte gar nicht. Sein Flirt nahm ihm das übel und ließ ihn abblitzen. Psychologin Anna Eckert erklärt, warum es sich nicht lohnt zu lügen – auch wenn wir unser Date unbedingt beeindrucken wollen.
Ein bisschen schummeln beim Kennenlernen – mit dem Alter, dem Job oder den Hobbies – das kennt vermutlich jeder. Beim ersten Date wollen wir natürlich beeindrucken und gut rüberkommen. Johnny (30), der auf Tiktok als @dieser.johnny unterwegs ist, hat das auch gemacht. Dabei hat er aber ein bisschen übertrieben, wie er selbst im Nachhinein zugibt.
"Ich hab ziemlich doll übertrieben. Ich weiß auch nicht wieso, aber ich kam auf die Idee, dass es cool wäre, sich als Engländer auszugeben."
Das Ganze ist schon eine Weile her, vergessen hat Johnny es trotzdem nicht: Mit Anfang 20 war er mit Freunden eine Woche in Bulgarien, ein Partyurlaub. Abends trifft er eine Frau: "Ich fand sie richtig gut", sagt Johnny. Und dann gibt er vor, aus England zu kommen.
Johnny aus Birmingham – eine Lüge
"Vielleicht war ich noch zu unsicher, mich als echter Johnny auszugeben, also hab ich so getan, als wär ich Johnny aus Birmingham." Es wird eine immer größere Geschichte daraus. Johnny überlegt sich einen Vater und eine Mutter, eine Straße, in der er wohnt und sogar einen Hund.
"Das im Nachhinein alles nochmal zu erzählen, ist mir ganz furchtbar unangenehm."
Das Lügenkonstrukt um Johnny aus England wuchs und wuchs. "Die Idee war aus der Sekunde geboren und ich kam nicht mehr raus", sagt Johnny heute. Wenn er seinen Flirt mit anderen auf Deutsch reden hörte, musste er so tun, als verstehe er nichts. Am dritten Abend aber platzt die Lügenstory: Johnny und sein Date gehen nach einer Party zum Hotel, überall liegt Müll an den Straßen und er sagt: "Alter, liegt hier viel Müll rum!".
"Wahrscheinlich hab ich mich einfach nicht cool genug gefühlt für diese tolle Frau."
Damit ist die Sache erledigt. Johnny entschuldigt sich am nächsten Abend aufrichtig. Wahrscheinlich, so meint er heute, hatte er einfach nicht den Mut, vor dieser tollen Frau er selbst zu sein.
Ehrlichkeit währt doch am längsten
Anna Eckert ist klinische Psychologin und versteht das Phänomen. Natürlich kenne jeder Selbstzweifel, besonders wenn wir neuen Menschen begegnen, die uns wichtig sind. Jeder wolle dem anderen gefallen, das sei menschlich – und so zeigen wir uns natürlich von unserer besten Seite.
"Jeder kennt ja diese Zweifel, dass wir vielleicht doch nicht gut genug sind oder dass wir dem potenziellen Partner oder der Partnerin nicht gerecht werden."
Vielleicht zweifeln wir an unserem Aussehen, unserem sozialen Status, unserem Job. In diesem Fall würde es helfen, am eigenen Selbstwert zu arbeiten, sagt die Psychologin: Eigene Stärken aufschreiben – und vielleicht auch die Schwächen, um darüber zu reflektieren. Dabei helfen Selbstreflektionsbücher, meint sie. Man könne auch seine "inneren Glaubenssätze aufschreiben", um mehr über sich selbst zu erfahren und sich mehr wertzuschätzen.
"Bei wichtigen Beziehungskonstellationen sollte man immer bei der Wahrheit bleiben, weil sich solche Konstrukte nicht aufrechterhalten lassen."
Lügenkonstrukte fliegen immer irgendwann auf, meint die Psychologin, besonders in engen Beziehungskreisen. Und im Übrigen könne Ehrlichkeit auch interessant sein: Gerade, wenn wir etwas Persönliches von uns offenbaren, hat das vielleicht die Wirkung, dass unser Gegenüber sich ebenfalls öffnet. "Es geht gar nicht ums Perfekt-Sein, sondern Menschen wollen sich mit anderen identifizieren", sagt Anna Eckert. Und so können uns kleine Schwächen auch sympathisch machen – denn natürlich ist absolut niemand ohne Schwächen.
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