Die Finanzmärkte haben enorme politische Macht. Das sei ein Problem für die Demokratie, so der Rechtswissenschaftler Andreas Fisahn. Er befürwortet eine Re-Regulierung der Märkte.
Die Demokratie steht aus vielerlei Gründen unter Druck. Einer davon ist Geld. Oder besser gesagt: die Finanzmärkte. Das sagt Andreas Fisahn, Professor für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht sowie Rechtstheorie an der Universität Bielefeld.
Finanzkapital vs. demokratische Selbstbestimmung
In seinem Vortrag erinnert Andreas Fisahn an die Weltfinanz- und Eurokrise der späten Nullerjahre. Unter anderem ruft er ins Gedächtnis, wie die sogenannte Troika – bestehend aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds – in die Krise geratenen Staaten wie Griechenland Politik im Grunde "verordnet" habe, so der Rechtswissenschaftler.
"Es gab im Grunde eine Entmachtung der Parlamente."
In der Zeit wurden Forderungen laut, die Märkte sollten doch wieder mehr gebändigt werden, nachdem die Regulierung seit den 80er Jahren weiter abgebaut worden war.
Aber: "Das Finanzkapital hat seine Interessen durchsetzen können, sodass keine wirkliche Re-Regulation stattgefunden hat", sagt der Rechtswissenschaftler rückblickend.
"Man könnte auch sagen: Die Politik hat vor den Finanzmärkten kapituliert."
In seinem Vortrag analysiert Andreas Fisahn auf dieser Grundlage, was überhaupt Demokratie ist, inwieweit sie marktkonform sein sollte und könnte, wer überhaupt "die" Finanzmärkte sind und welche Motive die daran Beteiligten verfolgen.

Er wägt unterschiedliche Positionen dazu ab und kommt unter anderem zu der Einschätzung, dass die Akteure auf dem Finanzmarkt nicht etwa von Gier getrieben sind, sondern dessen Gesetzmäßigkeiten gehorchen müssen – und dies auch tun.
"Die Gesetzmäßigkeiten der Finanzmärkte sind mit der Selbstgesetzgebung nicht vereinbar. Das ist Fremdherrschaft. Das ist kein Primat der Politik und keine Demokratie."
Und genau darin sieht Andreas Fisahn ein mögliches Problem – nicht allein für die Demokratie, sondern auch für die Ökologie.
"Kann man es sich leisten zu sagen, wir können die Märkte nicht regulieren und verzichten darauf, angesichts der ökologischen Krise?"
Andreas Fisahn ist Professor für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, und Rechtstheorie an der Universität Bielefeld. Er hat zudem im wissenschaftlichen Beirat von Attac mitgearbeitet und arbeitet noch als Jurist für das globalisierungskritische Netzwerk.
Seinen Vortrag "Demokratische Selbstbestimmung und Finanzmärkte" hat er am 1. Juli 2024 im Rahmen der Ringvorlesung Finanzen, Staat, Digitalisierung & Demokratie gehalten. Veranstaltet wurde diese Reihe vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt in Kooperation mit dem Projekt eFin & Demokratie am Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung, ein Forschungs- und Kompetenznetz unter anderem gefördert vom Land Hessen und der TU Darmstadt.
Hörtipp: Habt ihr Lust auf noch mehr Wirtschaftsthemen? Dann hört mal beim Deutschlandfunk-Nova-Podcast What the Wirtschaft?! rein.
- Einführung
- Vortragsbeginn
- Das Problem: Rückblick
- Der Status quo: Aktuelle Situation
- Struktureller Zwang und Demokratie
- Was ist überhaupt Demokratie?
- Demokratie emanzipatorisch gedacht
- Selbstgesetzgebung und ökonomische Gesetzmäßigkeiten
- Hörtipp: What the Wirtschaft?!
- Vorschau auf die nächste Hörsaal-Folge