Das Phänomen der Falschnachrichten hat sich in den vergangenen Jahren im Netz immer weiter ausgebreitet. Aber was bedeutet das für uns? Die Kommunikationswissenschaft versucht, das postfaktische Zeitalter theoretisch zu fassen. Ein Fazit: Wir können den Kulturwandel im Netz gestalten, und wir müssen ihn gestalten.
Im zweiten Teil seines Vortrags "Wahrheit als Obsession und Option: Wissenskämpfe im Internet." (Hier findet ihr den ersten Teil des Vortrags.) erklärt der Münchner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger, warum er das Phänomen der Falschnachrichten zwar als problematisch erachtet, warum wir aber auch nicht in absoluten Pessimismus verfallen müssen.
"Ich behaupte nicht, dass wir im Moment einen Niedergang erleben, wir sind im Moment in einer Phase der Erosion einer Wissensordnung, wie wir sie bisher kennengelernt haben, und sind in einem Übergangsprozess."
Historisch gesehen, so Neuberger, ist das kein ungewöhnlicher Prozess. Im Vortrag skizziert er einen Theorierahmen einer Wissensordnung, wie wir sie bisher kannten und wie das Netz, insbesondere eben Fake News, diese Ordnung verändert: Althergebrachte Prozesse, wie Wissen entsteht, überprüft, akzeptiert und verbreitet wird, verändern sich seiner Ansicht nach.
In der Folge bröckelt die gemeinsame Wissensbasis der Gesellschaft - und damit die Grundlage für demokratische Diskurse und Meinungsbildungsprozesse. Die Wissensordnung muss sich anpassen und da seien alle Akteure gefordert.
"Lüge und Wahrhaftigkeit, Verschweigen und Verschleiern setzen den Besitz von Wahrheit voraus. Wahrheit und Lüge werden damit auch leicht zu Kampfbegriffen."
Christoph Neuberger ist seit 2011 Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienwandel an der LMU München. Er forscht zum Wandel der Öffentlichkeit im Kontext der Digitalisierung. Sein Vortrag "Wahrheit als Obsession und Option" wurde am 18. Juli 2017 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgezeichnet. Die Folien zum Vortrag haben wir hier hochgeladen.
"Es ist ein guter emanzipativer Prozess, wenn die Deutungshoheit über Wirklichkeit nicht nur an wenigen Stellen verortet ist."
Auch Alexander Sängerlaub glaubt, dass wir einen Umbruch der Wissensordnung beobachten und dass wir den gestalten müssen, sieht aber auch eine Chance in dem Wandel. Sängerlaub leitet das Projekt "Measuring Fake News" der Stiftung Neue Verantwortung, das ganz aktuell im Bundestagswahlkampf das Aufkommen und die Verbreitung von Fake News beobachtet hat.
Auch in der digitalen Welt, so sagt er unter anderem im Interview, müssen wir dafür sorgen, dass die Bevölkerung mit gut aufbereiteten, durchdachten Informationen in ihrer Lebenswirklichkeit auch erreicht wird.
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