In der Yoga-Szene in Berlin brodelt es: Die "Fair Yoga Initiative" kritisiert, dass Sport-App-Anbieter den Yogalehrern für gebuchte Kurse weniger auszahlen, als sie durch eine direkte Mitgliedschaft einnehmen würden.

Das Konzept der Sport-Apps wie Classpass, MyFitnessCard oder Urban Sports Clubs klingt attraktiv: Es gibt fast keine Sportart, die man nicht über die App buchen kann. Dabei haben die Userinnen nicht nur Präsenz-, sondern auch Online-Kurse zur Auswahl. Das war vor allem während des Corona-Lockdowns eine gute Möglichkeit, weiter am Ball zu bleiben. Für Yogalehrer- und lehrerinnen waren Online-Kurse über Sport-Apps besser, als gar keine Kurse geben zu können.

Nun sind Präsenzveranstaltungen wieder möglich. Die Berliner "Fair Yoga Initiative", die nach eigenen Angaben aus 200 Yogalehrerinnen- und lehrern besteht, hat nun vor, sich aus dem Angebot solcher Sport-Apps zurückzuziehen. Eine Konkretisierung, um welche Apps es sich dabei genau handelt, gab es von der Initiative bisher nicht.

Die Begründung der Initiative: Durch eine Buchung über diese Apps erhalten die Lehrer weniger Geld, als wenn die Teilnehmenden direkt über die Yogaschule eine Stunde buchen würden. Dadurch würden sie viele ihrer Kundinnen verlieren, sagt Valérie Hartwich, selbstständige Yogalehrerin und Mitbegründerin der Initiative.

"Das Problem für uns ist, dass wir stetig unsere Schüler, unsere Teilnehmer an so eine App verlieren, weil das Angebot einfach - wie die Engländer sagen - too good to be true ist."
Valérie Hartwich, selbstständige Yogalehrerin in Berlin und Mitgründerin der "Fair Yoga Initiative"

Mit der Kampagne "Reclaim" will die "Fair Yoga Initiative" nun auf diese Problematik aufmerksam machen und ihre eigene Community wieder stärker aufbauen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kerstin Ruskowski.

Großes Angebot, kleine Preise

Für ihre Recherche hat sich Kerstin Ruskowski insbesondere mit der Urban Sports Club-App beschäftigt, da sie mit Abstand der größte Anbieter von Sport-Apps ist. Bei Sport-Apps wie dieser kostet ein Abonnement rund 30, 60, 100 oder 130 Euro im Monat. Je nach Umfang des gebuchten Pakets können die Teilnehmenden bei den unterschiedlichsten Sportkursen mitmachen - teilweise sogar unbegrenzt. Yoga ist hier also nur eine von vielen möglichen Sportarten. Ein kleines Yogastudio kann bei diesen Preisen nicht mithalten, sagt Kerstin Ruskowski.

"Wenn man so eine Sport-App hat, dann zahlt man je nach Paket rund 30, 60, 100 oder 130 Euro im Monat - und kann bei allen möglichen so genannten Partnern vor Ort alle möglichen Sportarten machen. Da kann ein kleines Yogastudio nicht mithalten."
Kerstin Ruskowski, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Denn allein die Mitgliedschaft für ein Yogastudio kostet im Monat um die 80 Euro, eine Zehnerkarte um die 150 Euro. Das bedeutet: Für eine Stunde bekommt eine Yogalehrerin also um die 15 Euro pro Teilnehmer.

Die Urban Sports Club-App zahlt den Yogalehrern beispielsweise nur 7 bis 11 Euro pro Kurs und Person, wie Benjamin Roth, Geschäftsführer und Mitbegründer der App, bestätigt.

Preise, die existenzbedrohend sein könnten

Aus Sicht der Berliner Yogalehrer sind nicht nur die an sie ausgezahlten Preise existenzbedrohend, sondern auch der allgemeine Schluss, den die Nutzerinnen daraus schließen könnten: Yoga gibt es auch billiger. Valérie Hartwich befürchtet, dass sich die Kunden schnell an diese billigen Preise gewöhnen könnten und das Training deshalb lieber über die App buchen würden.

"Die Leute gewöhnen sich an die extrem billigen Preise - ohne unbedingt zu hinterfragen, was das für Konsequenzen hat auf ihre Lieblings-Studios, Lieblings-Lehrer."
Valérie Hartwich, selbstständige Yogalehrerin in Berlin und Mitgründerin der "Fair Yoga Initiative"

Keine öffentliche Preispolitik

Die unterschiedlichen Preise basieren laut Benjamin Roth auch auf den unterschiedlichen Grundgegebenheiten der Yogastudios. Es gebe einerseits Studios, die aufgrund ihrer zentralen Lage sehr hohe Mietkosten hätten und dazu noch Umkleiden und Duschen anbieten würden. Das andere Extrembeispiel wären Kurse, die in einem gemieteten Gemeindesaal stattfänden und bei dem jede Person ihre eigene Matte mitbringen würde. Die genaue Summe werde deshalb immer mit jedem Partner vor Ort ausgehandelt.

"Es gibt Studios, die liegen in der zentralsten Lage einer Großstadt, haben deswegen hohe Mietkosten, bieten Umkleiden und Duschen an. Und es gibt welche, die mieten sich in einem Gemeindesaal ein und jeder bringt seine eigene Yogamatte mit."
Benjamin Roth, Geschäftsführer und Mitgründer der Urban Sports Club-App

Aus Sicht der Initiatoren der "Reclaim"-Kampagne sind diese Verhandlungen allerdings nicht sehr fair. Insbesondere, weil in den neueren Verträgen mit der Urban Sports Club-App auch stehe, dass die Partnerinnen nicht darüber sprechen dürfen, wie viel Geld ihnen die App pro Kurs bezahlt. Das hat Geschäftsführer Benjamin Roth Kerstin Ruskowski bestätigt.

Die Präsenz in der App hilft kleinen Studios kaum

Die Begründung von Benjamin Roth für die niedrigen Beteiligungen: Die Yogastudios könnten durch die App einen steigenden Bekanntheitsgrad erlangen. Dies sei eine Form von Werbung. Anstatt dafür eine Gebühr zu verlangen, zahlen sie den Yogalehrerinnen weniger Geld aus, als sie sonst direkt durch eine Zehnerkarte einnehmen würden, erklärt Benjamin Roth von der Urban Sports Club-App.

"Wir sehen uns so ein bisschen als Marketing- und Sales-Maschine für Studios. Das heißt, die Studios bekommen eine ungeheure neue Bekanntheit durch uns."
Benjamin Roth, Geschäftsführer und Mitgründer der Urban Sports Club-App

Doch vor allem für kleine Yogastudios wird diese Werbung nicht viel bringen, gibt auch Benjamin Roth zu. Die Berliner Yogalehrerinnen und Yogalehrer von der "Fair Yoga Initiative" ziehen daraus ihre Konsequenzen. Sie wollen in Zukunft lieber ohne App-Anbieter wie Urban Sports Club weitermachen - in der Hoffnung, dass sie so ihre Community wieder stärken können - und es für sie auch wirtschaftlich einfacher wird.

Shownotes
"Fair Yoga Initiative"
Berliner Yogalehrerinnen gegen große Fitness-Apps
vom 06. Juli 2020
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Kerstin Ruskwoski, Deutschlandfunk Nova