1983 veröffentlichte der "Stern" die vermeintlichen Hitler-Tagebücher. Als sie sich als Fälschung herausstellten, war das Hamburger Magazin düpiert, seiner journalistischen Glaubwürdigkeit beraubt und um einige Millionen D-Mark erleichtert.
Es ist der 25. April 1983. Wenn es nach den Verantwortlichen des Hamburger Verlagshauses Gruner und Jahr geht, wird an diesem Tag Geschichte geschrieben – und zwar nicht nur deutsche oder europäische Geschichte, sondern Weltgeschichte.
Es geht um nichts Geringeres als des Führers Tagebücher, die der Stern an diesem Tag veröffentlicht und mit dem reißerischen Slogan versieht, die "Biografie des Diktators und die Geschichte des Dritten Reiches muss in großen Teilen neu geschrieben" werden.
Die Stern-Chefredaktion in Hamburg trommelt an diesem 25. April 1983 die Weltpresse zusammen und lässt ihren Star-Reporter Gerd Heidemann triumphierend das Objekt der Begierde in die Höhe halten: Die Tagebücher Hitlers – schwarz gebunden mit roten Siegellack und den Buchstaben "FH" versehen.
Wenn man die Bilder genau betrachtet, ist das Gesicht Heidemanns versteinert, als sei ihm in diesem Augenblick das Ausmaß des Desasters bereits bewusst. Was er in Händen hält und was er dem Stern für mehrere Millionen D-Mark verkauft hat, sind nichts als Fälschungen aus der Werkstatt von Konrad Kujau, einem Meister seines Faches, denn die Schrift Hitlers ist täuschend echt und – man kann es nicht anders sagen – gelungen.
Die gefälschten Dokumente sollten den Holocaust löschen
Der Inhalt der gefälschten Tagebücher hat es in sich: Der Verbrecher Hitler, dessen Politik auf die Vernichtung der Juden und der Bolschewisten und auf die Unterdrückung des europäischen Kontinents abzielte, war nicht Täter, sondern Opfer von radikalen, antisemitischen und gewaltbereiten Parteifunktionären, die seine Befehle missachteten. So gesehen war es logisch, dass die Tagebücher ohne eine Erwähnung des Mordes von Millionen Juden auskommen.
Auch nach "Auschwitz" oder "Deportation" sucht man vergebens. Kein Zweifel: Die gefälschten Tagebücher wollten den Holocaust löschen, Hitler reinwaschen und seine Mitwisser- geschweige denn -täterschaft in Abrede stellen.
Am Ende war das Hamburger Magazin "Stern" düpiert, seiner journalistischen Glaubwürdigkeit beraubt und um einige Millionen D-Mark erleichtert. Die Geschichte aber musste nicht – wie großspurig angekündigt – neu geschrieben werden.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Journalist Michael Seufert beschreibt das Verhalten und die Entscheidungen der Chefredaktion des Sterns.
- Der Potsdamer Historiker Frank Bösch erläutert Kontrollmöglichkeiten der Redaktionen, die aber nicht alle Fehlleistungen und Fälschungen verhindert haben.
- Der Schweizer Literaturwissenschaftler Thomas Strässle beschäftigt sich mit Fake News und wie man sie eventuell verhindern kann.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld schildert den größten Coup der deutschen Zeitungsgeschichte, der zum größten Desaster des Sterns wurde.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Veronika von Borries erinnert an den Tag, an dem die Tagebücher der Weltpresse vorgestellt wurden.
- Journalist Michael Seufert beschreibt das Verhalten und die Entscheidungen der Chefredaktion des Sterns.
- Historiker Frank Bösch erläutert Kontrollmöglichkeiten der Redaktionen, die aber nicht alle Fehlleistungen und Fälschungen verhindert haben.
- Literaturwissenschaftler Thomas Strässle beschäftigt sich mit Fake News und wie man sie evtl. verhindern kann