An vielen Stellen des täglichen Lebens spüren wir gerade die Auswirkungen des Fachkräftemangels. Warum ist das so? Ein Erklärungsversuch.
Lange Wartezeiten im Restaurant, Reparaturen in Haus oder Wohnung können nicht gemacht werden – die Liste geht immer weiter. Das alles sind Probleme des Fachkräftemangels in Deutschland. Diese Probleme sind keineswegs neu. Doch im Moment fällt uns der Fachkräftemangel an vielen Stellen auf.
Mittlerweile gibt es verschiedene Erhebungen zum Thema: In einigen Studien ist zu lesen, dass 560.000 Fachkräfte fehlen. In anderen Statistiken heißt es, dass 1,7 Millionen mit entsprechender Qualifikation benötigt werden.
Dass die Zahlen je nach Statistik variieren, liege daran, dass in einigen Statistiken ausschließlich Fachkräfte mit Berufsausbildung mit berücksichtigt werden, sagt Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Andere Studien hingegen schauen auch auf Minijobs.
Im Handwerk fehlt der Nachwuchs
Für den Fachkräftemangel werden verschiedene Gründe angeführt: Zum einen gibt es viele unbesetzte Ausbildungsplätze – 40 Prozent der Stellen bleiben frei. Auch die Demografie spielt bei der Besetzung der Ausbildungsstellen eine entscheidende Rolle.
Die Zahl nicht besetzter Stellen wächst seit acht Jahren kontinuierlich, sagt Nicolas Lieven. Unternehmen hätten diesen Zustand schon lange vor Beginn der Corona-Pandemie beklagt. Eine zwischenzeitliche Besserung habe es während der Pandemie gegeben. Seit dem vergangenen Jahr gibt es aber wieder einen neuen Höchstwert beim Fachkräftemangel.
"Die Babyboomer waren eine relativ starke Generation. Nach und nach scheiden die jetzt aus dem Arbeitsleben aus."
Vor allem die Pflege- und Gesundheitsbranche treffe der Fachkräftemangel hart. Aber auch in der IT, Lebensmittelproduktion, Metzgerei, Tourismus, Gastronomie, Hotellerie und anderen Bereichen suche man.
Aus der Kurzarbeit kehren viele nicht zurück
Ungünstige Arbeitszeiten und körperlich anstrengende Tätigkeiten seien zum Beispiel Gründe für den Jobwechsel, sagt Nicolas Lieven. Die Corona-Pandemie habe den Fachkräftemangel aber nun weiter verschärft. Sehr viele Leute seien während Corona aus ihren Jobs gegangen, wenn die Bezahlung nicht gut war oder sie im Schichtdienst arbeiten mussten.
"Viele Leute haben auch darauf geschaut, ob der Job befristet ist. Auch wenn befristete Beschäftigungen weniger geworden sind: Es gibt noch immer viele solcher Stellen."
Nicolas Lieven erklärt den Fachkräftemangel am Beispiel von Fluglinien. "Viele Piloten mussten während Corona gehen – die arbeiten jetzt bei der Bahn als Lokführer. Einige sind auch in den Nahverkehrsbereich gewechselt."
Außerdem seien Techniker aus der Luftverkehrsbranche in den Automobilbereich gewechselt. Gastronomie-Minijobber arbeiten jetzt vielfach in Büros.
Die Bundesagentur für Arbeit hat sich das für Kellnerinnen und Kellner, Verkäufer*innen und andere Berufe angeschaut. Das Ergebnis: Viele sind in den Dienstleistungssektor, die Produktion, Industrie oder Logistik gewechselt.
Die Gründe sind also vielseitig und waren teils schon vor der Pandemie vorhanden. Aber die Pandemie scheint durch schlechte Arbeitsbedingungen, Kurzarbeit und Schließungen einige Jobwechsel befördert zu haben.