Der Kabinettschef des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán postet ein Video. Das wird von einer Content-Moderatorin als latent rassistisch eingestuft und gelöscht. Nach einer Beschwerde des Kabinettschefs ist es wieder online.
Auf Facebook werden rassistische Inhalte, Aufrufe zur Gewalt, obszöne oder beleidigende Posts gelöscht. Dazu ist das Netzwerk in Deutschland gesetzlich verpflichtet. Aber: Die Entscheidung darüber, ob ein Eintrag gegen Facebook-Richtlinien oder Gesetze verstößt, liegt am Ende bei einem Menschen, bei sogenannten Content-Moderatoren.
Einer dieser Content-Moderatoren, ein junger Mann, der sich Zoltan nennt, hat jetzt einen Fall öffentlich gemacht, in den sich ein hochrangiger ungarischer Politiker eingemischt hat: Janos Lazar, der Chef des Kabinetts unter Präsident Viktor Orbán.
"Wir bekamen Anweisungen von Facebook, die Posts des Kabinettchefs nicht anzufassen."
Nachlesen kann man den Fall im ungarischen Webportal 444.hu. Dort hat Zoltan, der im ungarischen Facebook-Moderationsteam für die Bertelsmann-Tochter Arvato arbeitet, folgenden Fall beschrieben:
Kabinettschef Janos Lazar, der zur rechtspopulistischen Fidesz-Partei gehört, gilt als ausgesprochener Hardliner in Sachen Flüchtlingspolitik. Er hatte auf seiner Facebook-Seite ein Video mit Szenen aus einem Bezirk der österreichischen Hauptstadt Wien gepostet, in dem es besonders viele Zuwanderer gibt. Im Begleittext dazu schreibt Lazar: "Hier sind die Straßen sichtlich schmutziger, die Umgebung ist viel ärmer, und die Kriminalität ist viel höher." Und er warnt davor, dass es bald auch in ungarischen Städten so aussehen würde, wenn die Fidesz nicht an der Regierung bliebe.
Eine Mitarbeiterin des ungarischen Arvato-Moderationsteams hatte das Video begutachtet und es als latent rassistisch oder irreführend eingestuft, also als einen Verstoß gegen die Richtlinien. Denn in dem Video waren weder Schmutz noch Armut zu sehen. Auch sonst hatte Lazar keine Belege für seine Behauptung geliefert. Also wurde das Video gelöscht.
Vorwurf der Zensur
Daraufhin warf der ungarische Kabinettschef auf seiner Facebook-Seite dem Unternehmen öffentlich Zensur vor und beschwerte sich direkt bei der Facebook-Zentrale. Von dort kam dann die Anweisung, das Video wieder online zu stellen, weil es einen Nachrichtenwert habe und deshalb in Ordnung sei. Die weitere Einstufung der Posts werde in Zukunft von der Zentrale in Irland übernommen, das Arvato-Team solle die Finger davon lassen.
"Wenn jemand öffentlichkeitswirksam protestiert, dann schaut Facebook noch mal genauer drauf - als Zensurhansel wollen die natürlich auch nicht dastehen."
Die Entscheidung ist nicht nur deshalb brisant, weil es hier um die Einmischung eines hochrangigen Politikers geht. Der Content-Moderator Zoltan gibt auch Details zum Honorarmodell bei Arvato bekannt. So werden die Entscheidungen der Content-Moderatoren stichprobenartig überprüft. Wer überproportional "richtig" entscheidet, bekommt einen Bonus zum Grundgehalt von 1400 Euro. Wer zu viel "falsch" entscheidet, bekommt Nachschulungen oder fliegt raus.
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