Wir finden sie auf Insta und Tiktok und sie sollen uns zum Kaufen anregen: Vermeintlich einmalige Angebote von Online-Shops. Doch wer exzessiv einkauft, kann schnell in die Schuldenfalle geraten. Aber es gibt auch Wege, die wieder herausführen.
Das Set aus Mini-Hanteln und Fitnessbänder in den knallbunten Farben mit der praktischen Mesh-Tasche ist einfach perfekt. Denn der Vorsatz, fitter zu werden, ist da. Ein Influencer will uns davon überzeugen, wie effektiv das Equipment ist oder es wird ein kurzer Werbeclip angezeigt.
Beim Scrollen auf Tiktok oder Insta reicht ein Klick, um auf die Seite des Anbieters zu kommen, schnell ist der gewünschte Artikel in den Warenkorb gepackt, bezahlt und in zwei bis drei Werktagen halten wir das Päckchen in unseren Händen. Ein kurzes Glücksgefühl erfüllt uns, das allerdings genauso schnell wieder verfliegt.
Kein Geld auf dem Konto, aber beim Shoppen das Gefühl zu sparen
Dass das Fitness-Set später mit großer Wahrscheinlichkeit unbenutzt in der Ecke liegen wird, – diesen Gedanken lassen wir beim Kaufvorgang erst mal beiseite.
Auch den Gedanken, dass eigentlich gar kein Platz mehr im Schrank und kein Geld auf dem Konto für eine Neuanschaffung ist. Das prominent platzierte Wort "SALE" vermittelt uns das trügerische Gefühl, sogar Geld gespart zu haben. Solch einen Deal dürfen wir uns nicht entgehen lassen ...
Werbung funktioniert auf Social-Media-Apps aber auch deshalb gut, weil sie extrem personalisiert ist und Werbevideos dort oft so aufgebaut sind, dass sie das Unterbewusstsein beeinflussen sollen. Rund jede*r Zweite in Deutschland hat schon einmal per Social-Shopping Sachen nach Hause bestellt.
Bestellungen werden psychologisch wie Geschenke gewertet
Social-Shopping ist bequem, unkompliziert und wer Zeit auf Tiktok und Co. verbringt, wird häufig dazu animiert, doch dieses oder jenes zu kaufen, was man der Werbung zufolge "unbedingt braucht", um dazuzugehören. Oder wir wollen uns einfach mal was gönnen oder uns für irgendetwas belohnen, – zumindest rechtfertigen manche von uns möglicherweise ihre Käufe so vor sich selbst.
Ein Päckchen zu erhalten, wird zudem psychologisch so gewertet, als ob wir ein Geschenk erhalten haben, sagt der Werbefachmann Markus Küppers. Selbst dann, wenn wir es selbst bestellt haben.
"Fangen wir mit dem ersten Problem an: Das ist Klarna. Bei Klarna gerade ausstehende Beträge sind 508 Euro."
Auch Vivien kennt den Dopaminkick beim Social-Shopping gut: Die 23-Jährige, die eine Handwerksausbildung macht, bestellt häufig über Links, die auf Social-Media-Plattformen beworben werden. Vivien wohnt im Haus ihrer Eltern und muss keine Miete zahlen. Sie hat sich kein Limit für ihre Einkäufe gesetzt. Was ihr gefällt, wird bestellt. Das Geld, was sie ausgibt, besitzt sie aber gar nicht.
Das Prinzip "Buy Now, pay later" über Anbieter wie Klarna oder Paypal macht es möglich, Geld auszugeben, wo keines vorhanden ist. Wir nehmen beim Kaufvorgang mit wenigen Klicks einen Mini-Kredit auf und machen somit Schulden. Wenn wir diese dann nicht bezahlen können, gelten wir als überschuldet.
Verschuldung steigt bei Unter-30-Jährigen
Vivien ist mit ihrer Situation nicht allein: 6,76 Prozent der Menschen unter 30 in Deutschland sind laut "SchuldnerAtlas 2024 Deutschland" überschuldet. Das klingt zunächst möglicherweise gering. Die Herausgeber des Schuldneratlas schlagen trotzdem Alarm. Denn während die Überschuldung in Deutschland allgemein zurückgeht, steigt sie bei Unter-30-Jährigen zum zweiten Mal in Folge.
Der Weg aus der Überschuldung heraus
Was für Vivien nur eine digitale Zahl ist, ist in Wirklichkeit eine Überschuldung, in die sie immer tiefer hineingeraten ist und bei der sie den Überblick verloren hat. Sie sagt, dass sie jedoch fest entschlossen ist, das Problem in den Griff zu bekommen.
Dabei Unterstützung zu bekommen, ist in Deutschland recht einfach: Zum Beispiel bei Schuldnerberatungsstellen. Die können helfen, indem sie Verschuldete dabei begleiten, sich einen Überblick über die Finanzen zu verschaffen, Briefe zu öffnen und Haushaltsbücher zu führen.
Was auch helfen kann, nicht aus einem Impuls heraus zu kaufen, sagt unser Reporter Alex Baur: Durchatmen, das Handy kurz weglegen – und auf jeden Fall noch eine Nacht darüber schlafen, bevor wir uns für einen Kauf entscheiden.
Die Autorin Gretchen Rubin empfiehlt, sich selbst vor einem Einkauf zu fragen, ob wir etwas, dass wir kaufen wollen, eventuell schon besitzen. Vielleicht haben wir ja sogar schon ein Hose, die uns besser gefällt als die, die wir gerade in den Warenkorb gelegt haben.
Dieses kurze Besinnen und Aufschieben des Kaufs kann uns womöglich dabei helfen, kein weiteres Hosenpaar zu kaufen, wenn der Kleiderschrank sowieso schon aus allen Nähten platzt.