Die Weltgesundheitsorganisation und die Amerikanische Vereinigung der Psychologen (APA) wollen exzessives Computerspielen zu einer eigenständigen Krankheit erklären lassen: Internet Gaming Disorder. Aber ist so eine Klassifizierung überhaupt sinnvoll? Experten vermuten, dass auch finanzielle Interessen hinter dem Plan stecken.
Onlinespielsucht wird bei dem amerikanischen Psychologenverband (APA) bisher als Phänomen klassifiziert, das unter besonderer Beobachtung steht. Jetzt will der Verband Internet Gaming Disorder auch als eigenständige Krankheit einstufen. "Die Definitionen würden zum Standard für den mächtigen amerikanischen Psychologenverband", sagt Martina Schulte.
"Die WHO ist schon einen Schritt weiter. Sie hat Onlinespielsucht unter der Rubrik "gaming disorder, predominantly online" bereits als Krankheit definiert."
Die WHO fordert darum die Verbote solcher Spiele, auch soll die Werbung eingeschränkt werden. Ähnlich wie bei Alkohol oder Tabak denkt die Organisation auch an Warnsymbole auf Verpackungen, so Martina Schulte. Den Vorstoß der APA und der WHO hält der Onlineforscher Thorsten Quandt allerdings für fragwürdig, wie er in einem Interview bei Golem erklärt. Das Phänomen gebe es zwar, aber es stelle sich die Frage, ob es eine eigenständige Krankheit ist.
Geht es nur ums Geld?
Quandt schreibt, dass einige der von der APA angeführten Studien empirisch fragwürdig seien. Einige neuere Studien würden nicht berücksichtigt. Diese Studien zeichneten ein widersprüchliches Bild von der angeblichen Krankheit und könnten nur wenige Betroffene ausmachen, die die Kriterien einer Krankheit erfüllten.
Und selbst diese hätten, so Quandt, scheinbar kaum Probleme mit ihrem Zustand. "Ganz banal verlören viele Extremspieler nach einer gewissen Zeit die Lust am Zocken, weil andere Dinge im Leben wichtiger werden, gibt Martina Schulte die Aussagen von Thorsten Quandt wieder.
"Und weil viele Experten und Wissenschaftler dass APA und WHO hier Hopplahop eine neue Krankheit definieren wollen, ohne das es dafür ausreichende Anhaltspunkte gibt, formiert sich Widerstand."
Mehrere Wissenschaftler haben deshalb ein Debattenpapier veröffentlich. Darin warnen sie davor, eine alltägliche Mediennutzung zu pathologisieren und Gamer unter einen Störungs-Generalverdacht zu stellen, obwohl sie sich womöglich nur verhalten, wie Jugendliche sich im Zeitalter des Internets nun einmal verhalten“, so Martina Schulte. Doch vielleicht gibt es noch einen ganz anderen Grund
"Nur was als Krankheit definiert wird, kann als solche abgerechnet werden. Das heißt, hier geht es auch um Geld."
Ein neu definiertes Krankheitsbild schafft eben auch neue Patientengruppen für Ärzte, Psychologen und Pharmahersteller. Mobile Geeks schreibt dazu: "Die Behandlung einer potenziellen Krankheit Onlinespielsucht kann separat abgerechnet werden, inklusive Therapien, den in den USA wie Smarties verschriebenen Medikamenten sowie all den indirekten Wegen, Geld aus Patienten zu quetschen."