Europa erwärmt sich durch den Klimawandel schneller, heißt es im Bericht des EU-Klimadienstes Copernicus. Vor allem Südosteuropa wurde 2024 von Hitzewellen getroffen. Gegenmaßnahmen sind erforderlich. Einige positive Aspekte sind auch zu lesen.

2024 ist laut Bericht des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Erwärmung Europas seit den 1980er-Jahren doppelt so schnell vorangeschritten wie der globale Durchschnitt. Damit ist Europa der sich am schnellsten erwärmende Kontinent der Erde.

Vor allem in Staaten der Europäischen Union traten 2024 Temperaturhöchstwerte auf. Besondere Hot-Spots waren in Südosteuropa. In Kroatien und Bulgarien gab es zwischen Juni und September sechs Hitzewellen.

"Eine dieser Hitzewellen dauerte zwei Wochen auf mehr als der halben Landfläche Südosteuropas: 66 Hitzetage und 23 tropische Nächte."
Lorenz Beckhardt, ARD-Wissenschaftsredaktion

In solchen tropischen Nächten kühlt es nicht mehr ab, der Mensch kann nicht schlafen, weil er schwitzt und sich im Bett hin und her wälzt. Durch die Hitze gab es in Portugal Brände, bei denen 110.000 Hektar Wald in einer Woche verbrannten.

"110.000 Hektar: Das ist ein Viertel von der Fläche, die in Europa sonst in einem Jahr abbrennt. In Portugal brannte sie innerhalb einer Woche ab."
Lorenz Beckhardt, ARD-Wissenschaftsredaktion

Meere sind zu warm

In Westeuropa machte sich der Klimawandel durch Starkregen bemerkbar. Im spanischen Valencia gab es im Oktober extremes Hochwasser durch die Regenmassen. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben. Bürgerinnen und Bürger beschimpften den spanischen König daraufhin als Mörder bei einem Besuch der Region. Ausschlaggebend für die höheren Temperaturen sind die Meere, erklärt Lorenz Beckhardt aus der ARD-Wissenschaftsredaktion.

"Die Meere in Europa sind im Schnitt fast ein Grad wärmer als sie es eigentlich sein dürften. Das Mittelmeer ist sogar noch wärmer", sagt Lorenz Beckhardt. Die Wärme der Meere führt dazu, dass die Verdunstung stark ansteigt: "Ungefähr zehn Prozent mehr Wasser kommt jedes Jahr aus dem Mittelmeer in die Atmosphäre", sagt Wissenschaftsjournalist Lorenz Beckhardt.

In einer Studie vom Alfred-Wegner-Institut heißt es, dass "die Katastrophe von Valencia genau auf diese zehn Prozent mehr Wasser zurückzuführen ist", so Lorenz Beckhardt. Die Copernicus-Wissenschaftler berechneten, dass durch die klimatischen Veränderungen Schäden in Höhe 18 Milliarden Euro entstanden.

"Wir hatten einen wahnsinnigen Masseverlust in Gletschern im vergangenen Jahr. In Skandinavien sind fast drei Meter abgeschmolzen."
Lorenz Beckhardt, ARD-Wissenschaftsredaktion

Hinzukommt, dass die Gletscher schmelzen und so die Temperaturen erhöhen. In Spitzbergen sind beispielsweise im vergangenen Jahr fast drei Meter Gletscher geschmolzen. Dort war es im Sommer im Durchschnitt fast 2,5 Grad wärmer als im Durchschnitt.

"Wenn wir die Gletscher verlieren, verlieren wir weiße Fläche – sogenannte Albedo-Fläche", sagt Lorenz Beckhardt. "Das heißt, dass die auf Europa scheinende Sonne weniger reflektiert wird – Europa wird noch wärmer, und die Arktis wird wärmer. Das ist ein sich selbst verstärkender Effekt."

Das hat zur Folge, dass es immer weniger Schnee und Gletscher in den Alpen gibt. Ein Beispiel für die klimatischen Veränderungen sind das aktuelle Niedrigwasser im Rhein oder Bodensee.

Mehr Strom aus erneuerbaren Energien

Doch es gibt auch positive Nachrichten: So kommen 45 Prozent des Stromes in der Europäischen Union aus erneuerbaren Energien. Als der Bericht 2019 zum zweiten Mal erschien, erzeugten zwölf europäische Länder mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus fossilen Energiequellen – mittlerweile sind es 20. Deutschland ist "da ganz weit vorn mit dabei", sagt Lorenz Beckhardt. "Wir erzeugen Strom schon zu über 60 Prozent aus erneuerbaren Energien."

Auch hat sich die Anzahl der Städte, die Klimaschutzmaßnahmen machen, innerhalb von sieben Jahren fast verdoppelt. Mittlerweile sind das über die Hälfte der europäischen Städte. Dazu gehört es zum Beispiel Flächenversiegelungen wieder aufzuheben oder mehr Bäume und Wasserflächen in die Städte zu bringen.

Die Botschaft des Berichts muss aber sein, so Lorenz Beckhardt aus der ARD-Wissenschaftsredaktion, "dass jedes zehntel Grad zählt. Wir müssen weiter versuchen, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken – sonst werden die Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen Ende des Jahrhunderts verzehnfachen werden." Das würde bedeuten, dass die aktuellen Maßnahmen der Politik zur Verbesserung der Infrastruktur in Deutschland in einem halben Jahrhundert wieder zerstört werden, wenn wir nichts gegen die Klimaerwärmung tun, sagt ARD-Wissenschaftsredakteur Lorenz Beckhardt.

Shownotes
Klima
Europa erwärmt sich am schnellsten
vom 15. April 2025
Moderation: 
Till Haase, Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Lorenz Beckhardt, ARD-Wissenschaftsredaktion