Bei der Wahl der zukünftig 720 Mitglieder des Europaparlaments in Straßburg haben die rechtspopulistischen und rechtsnationalen Parteien deutlich zugelegt. Wahlsieger ist die konservative EVP-Fraktion, Wahlverlierer die Grünen und Liberalen. Welche Folgen das hat, analysiert Politikwissenschaftlerin Sophie Pornschlegel.
Bei den Wahlen zum neuen EU-Parlament haben unter anderem in Frankreich (im Bild oben Marine Le Pen bei der Stimmabgabe am 9. Juni 2024), Italien (im Bild oben Giorgia Meloni bei einer Dankesrede am 10. Juni 2024) und Österreich rechtspopulistische Parteien gewonnen. Das Rassemblement National um Le Pen und die Fratelli d’Italia von Meloni verbuchten jeweils über 30 Prozent der Stimmen für sich. In Deutschland gewannen die Unionsparteien CDU und CSU, die AfD landete auf Platz zwei - in den ostdeutschen Bundesländern auf Platz eins.
Trotzdem haben "die rechten Parteien nicht ganz so viel gewonnen" wie bei der Wahl in allen 27 EU-Staaten insgesamt erwartet worden war, sagt Sophie Pornschlegel. Sie ist Politikwissenschaftlerin beim Think Tank Europe Jacques Delors und war am Sonntag in Brüssel vor Ort. Stark zugelegt hat das Mitte-Rechts-Bündnis EVP. Dagegen haben die Grünen und die Liberalen, zu denen auch die Partei des französischen Präsidenten Macron gehört, viele Stimmen verloren.
"Grundsätzlich sieht man, dass rechte Parteien gewonnen – und vor allem die Grünen und die Liberalen sehr stark verloren haben."
Die Frage ist jetzt, welche Fraktionen geschaffen werden und wie sich das neue Europaparlament zusammensetzt.
Frankreich: Welche Folgen haben die neuen Parlamentswahlen?
Macrons Ankündigung, das Parlament neu zu wählen, hat in Brüssel für viel Aufsehen gesorgt: Macron bleibt Präsident, doch das Parlament will er auflösen. (In Frankreich gibt es Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.) Für die Französinnen und Franzosen bedeutet es, dass sie Ende Juni erneut an die Wahlurnen gebeten werden. Dann besteht die Möglichkeit, dass Jordan Bardella, der Spitzenkandidat des Rassemblement National, Premierminister wird.
"Wir brauchen ein starkes Frankreich, eine starke französische Regierung, um dann auch die weiteren Schritte zu gehen."
Nächste Woche findet ein EU-Gipfel statt, bei dem die Spitzenposten vergeben und die Prioritäten nach der Europawahl entschieden werden. Das Parlament fängt an zu arbeiten und die Kommission wird die politischen Leitlinien veröffentlichen. Europa braucht ein starkes Frankreich, sagt die Politikwissenschaftlerin. Wenn dort jetzt neu gewählt wird, stehe die Frage nach der politischen Legitimität unseres Nachbarlandes im Raum.
Mehr Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit, weniger Green Deal
Die Europäische Volkspartei EVP, zu der auch die Unionsparteien CDU/CSU aus Deutschland gehören, hat die Wahl gewonnen. Sie wird also vermutlich Ursula von der Leyen (für eine zweite Amtszeit) als Kommissionspräsidentin stellen. Laut den Zahlen wird es dafür aber weiterhin eine große Koalition mit den Sozialdemokraten geben müssen.
"Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass es schon einen Rechtsruck in den Themen geben wird."
Bei bestimmten Themen bleibe abzuwarten, inwieweit die Fraktion EKR (Europäische Konservative und Reformer) Einfluss nehmen wird, zu ihr gehören unter anderem die Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni und die polnische PiS-Partei. Sophie Pornschlegel nimmt an, dass es einen Rechtsdruck bei den Themen geben wird.
In der strategischen Agenda sei außerdem zu sehen, dass Themen wie Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit einen höheren Stellenwert bekommen werden als der Green Deal beispielsweise. Von Donald Tusks Agenda in Polen erhofft sich die Politikwissenschaftlerin Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – doch bei so vielen rechtsextremen Parteien im Parlament sei das offen.