Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie bekommt fast jeder und jede Dritte in Deutschland im Laufe des Lebens eine psychische Erkrankung. Der Freundeskreis und die Familie von Betroffenen sind dann oft überfordert. Um sie zu unterstützen, gibt es inzwischen Erstehilfekurse für psychische Erkrankungen.
Im Schnitt müssen Menschen in Deutschland fünf Monate auf einen Psychotherapieplatz warten. In dieser Zeit können sie Akutangebote in Anspruch nehmen. Am wichtigsten in dieser Zeit ist jedoch das nahe Umfeld von Betroffenen. Um Freunde und Verwandte von psychisch Erkrankten zu schulen, gibt es inzwischen eine Ersthelfer*innen-Ausbildung von der Initiative Mental Health First Aid.
"Bei mir ist es im beruflichen Kontext öfter so gewesen, dass wir mit jungen Leuten zu tun hatten, die irgendwie in einer psychischen Ausnahmesituation waren."
In einem zwölfstündigen Erstehilfekurs wird ein Grundwissen über verschiedene psychische Probleme und Krisen erlernt. Der Kurs wird von Therapeut*innen geleitet. Dabei werden Fallbeispiele diskutiert und Fragen beantwortet. So eine Frage wäre zum Beispiel: Welche professionelle Hilfe kann ich einer Kollegin empfehlen, die überfordert von ihrer Arbeit wirkt, sich häufig krankmeldet und über ständige Sorgen klagt?
Zuhören ist wichtig
Die erste wichtige Regel, die die Teilnehmenden lernen: immer wieder den Betroffenen Gehör schenken. Dafür werden unterschiedliche Gesprächstechniken gelernt: In einem Fallbeispiel übernimmt die Kursleiterin die Rolle einer Person mit suizidalen Gedanken. Die Teilnehmenden versuchen, ihr zu helfen. Dabei bekommen sie immer wieder Feedback und Hilfe.
"Das ist ein großer Teil des Kurses: tatsächlich in die Praxis zu gehen und das mal ein bisschen zu üben, Leute anzusprechen."
Im nächsten Fallbeispiel gucken die Teilnehmenden einen Film über Psychosen und gehen dann wieder in eine praktische Übung. Bei der Übung setzt sich die Kursleiterin in die Mitte und flüstert einer teilnehmenden Person fordernde Worte ins Ohr. Sie versucht auf diese Weise, eine Person mit Schizophrenie zu imitieren. Denn schizophrene Menschen hören oft Stimmen im Kopf. So bekommen die Teilnehmenden ein besseres Verständnis dafür, was es bedeutet, mit einer Psychose zu leben, erklärt Kursleiterin Iris Raba.
Ersthelfende Ansprechperson sein
Der Initiative ist es wichtig zu betonen: Ersthelfer*innen sind keine Therapeut*innen, sie können sie nicht ersetzen. Es geht darum, psychisch erkrankte Menschen zu begleiten, zum Beispiel auf dem Weg zur Therapie. Die Ersthelfer*innen sind dennoch sehr wichtig, weil sie viel näher und intensiver mit Betroffenen in Kontakt stehen.
"Auf die eigenen Ressourcen achten und wissen: ‘Okay, wenn das Gespräch jetzt gleich vorbei ist, dann kann ich was tun, um meinen Akku wieder aufzuladen.‘"
Ersthelfende haben durch ihre Beziehung die Möglichkeit, gewisse Frühanzeichen zu erkennen und andere zu ermutigen, Hilfe zu suchen. Für die Ersthelfenden selbst ist es aber ebenfalls wichtig, sich selbst abzugrenzen und nicht völlig zu verausgaben, sagt Kursleiterin Iris Raba.
Lass dir helfen!
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