Was hat Opa eigentlich im Zweiten Weltkrieg getan? War er überzeugter Nazi oder Mitläufer? Oder hat er Widerstand geleistet? In Verenas Familie wurde darüber nie groß gesprochen.
Unsere Großeltern oder Urgroßeltern halten wir in der Regel für liebevolle und gutherzige Menschen. Deswegen fällt es vielen von uns schwer, ihre Vergangenheit zu hinterfragen - herauszufinden, was sie in der Zeit des Nationalsozialismus gemacht haben. Genauer: Ob wir sie zu den Tätern zählen müssen.
"Mir ist eine Schachtel in die Hände gefallen. So ein kleines Etui, wo ein Kreuz drin war. Und ich wusste nicht, was das für ein Kreuz war: Es sah aus wie ein Orden oder eine Brosche."
Unser Reporter Felix Schledde hat beispielsweise mit Verena gesprochen, deren Großeltern die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt haben. Sie zählt zu denjenigen, die nicht genau wissen, was ihr Opa und ihre Oma während des Zweiten Weltkriegs getan haben, und welche Einstellung sie hatten.
Ihre Großmutter hat ihr zwar ein paar Einblicke in den Alltag während der Zeit des Nationalsozialismus gewährt. Ihr Opa schweigt aber lieber. Auch ihr Vater sagt zunächst nichts dazu, als sie ihm zeigt, was sie gefunden hat: Ein Eisernes Kreuz.
"Bei der Frage nach Täter oder Opfer ist die Erinnerung getrübt. Insofern macht es auf eine Lücke in der Erinnerungskultur aufmerksam."
Ausweichen, nichts genaues wissen wollen, beschönigen - so verhalten sich auch viele, wenn es um die Rolle der eigenen Vorfahren im Nationalsozialismus geht.
Mit der Memo Deutschland Studie (Memo steht für Multidimensionaler Erinnerungsmonitor) wollten Wissenschaftler herausfinden, wie es mit der Erinnerungskultur der Deutschen aussieht. Und welche Rolle die Befragten ihren Großeltern im Dritten Reich zuschreiben. Dafür wurden rund 1000 Deutsche zu ihrer Meinung nach Tätern, Opfern und Mitläufern befragt.
Erkenntnisse aus der Memo-Studie:
- 18 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich Täter des Zweiten Weltkriegs unter ihren Vorfahren befinden.
- 69 Prozent sagten, dass sich keine Täter unter ihren Vorfahren befinden.
- Bei der Frage, ob Ihre Vorfahren Juden geholfen haben könnten, antworteten 18 Prozent mit 'ja' und 45 Prozent mit 'nein'.
Bemerkenswert:
- 54 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich Opfer von Verfolgung des Zweiten Weltkriegs unter ihren Vorfahren befinden.
Andreas Zick von der Universität Bielefeld sagt, dass die Erinnerung bei vielen getrübt sei. Es gebe eine "Lücke" in der Erinnerungskultur.
Die grundlegende Frage, die sich aus den Ergebnissen der Studie ergibt: Wie sollten wir in Deutschland mit einer Erinnerungskultur umgehen, in der die Menschen die Verbrechen des NS-Regimes verurteilen, gleichzeitig aber nicht genau wissen oder wissen wollen, wer die Täter waren.
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