Begleitet von Protestaufrufen ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag (27.10.2018) zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland eingetroffen. Der Journalist Erkan Arikan erklärt, welche Ziele Erdogan bei diesem Besuch verfolgt.
Am Freitagmorgen wird Präsident Erdogan von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue empfangen. Am Freitagmittag ist ein erstes Treffen Erdogans mit Bundeskanzlerin Angela Merkel geplant. Nach einem Staatsbankett am Freitagabend wird Erdogan sich am Samstagmorgen zum Frühstück erneut mit Merkel treffen. Anschließend reist er weiter nach Köln, wo er die neue Zentralmoschee des Moscheeverbands Ditib einweihen will.
Steinmeier hat Erdogan eingeladen
Warum wird so ein großer Aufwand für den Besuch des türkischen Präsidenten betrieben? Erkan Arikan, Leiter der türkischen Redaktion bei WDR Cosmo, erklärt, dass Erdogan der Einladung des Bundespräsidenten Steinmeier gefolgt ist. Also muss er auch mit militärischen Ehren empfangen werden, das sieht das Protokoll so vor.
"Es ist kein direkter Arbeitsbesuch, das wäre auf jeden Fall eine Nummer kleiner, sondern ein Staatsbesuch."
Die türkische Wirtschaft ist in den letzten Wochen ziemlich in Schieflage geraten, und die türkische Lira hat stark an Wert verloren. Vor diesem Hintergrund wären die beiden Treffen mit Angela Merkel sehr wichtig für Erdogan, sagt Erkan Arikan. Deutschland sei immerhin der wichtigste Partner für die Türkei.
Erdogan-Gastbeitrag in der FAZ
Vor seinem Besuch hat Erdogan einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Titel: "Erwartungen an Deutschland". Erkan Arikan sagt, man müsse bei diesem Beitrag zwischen den Zeilen lesen. Er glaub, das es Erdogan hier vor allem um eine Flüchtlingspolitik geht. Die Botschaft sei aber in seinen Augen auch: Innenpolitisch kann es Deutschland egal sein, was in der Türkei passiert. Die deutschen Interessen beim Treffen von Merkel und Erdogan wären vor allem wirtschaftliche, sagt der Journalist.
"Die marode türkische Wirtschaft braucht einen Fürsprecher, und das ist eben Deutschland."
Es gebe viele wichtige deutsche Investoren, die in der Türkei investierten. Man dürfe aber auch Syrien nicht außer Acht lassen. Denn auch hier sei die Türkei ein wichtiger Partner, um in dem Land den Frieden zu sichern.
Moschee-Eröffnung in Köln
Für viel Aufsehen sorgt im Vorfeld auch die geplante Einweihung einer Moschee in Köln am Samstag. Präsident Erdogan wolle hier den Türken in Deutschland zwei Nachrichten senden, sagt Erkan Arikan. Er wolle zeigen, dass er nach Deutschland kommen kann, auch wenn sich Politiker hier dagegen aussprechen, und er wolle die Wichtigkeit des Verbandes Ditib hervorheben, auch wenn dieser im Fokus des Verfassungsschutzes stehe.
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