Bei den Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben geht es auch um die Bergung von Todesopfern. Über die Arbeit haben wir mit Daniel Niemeyer gesprochen. Er arbeitet bei DeathCare Germany, eine Hilfsorganisation von Bestattenden, die in der Türkei vor Ort ist.
Nach den schweren Erdbeben in Syrien und in der Türkei spielen Hilfsorganisationen, die auf Lebensrettung spezialisiert sind, eine große Rolle. Inzwischen sind die Hoffnungen, jetzt noch Überlebende zu finden, allerdings auf ein absolutes Minimum gesunken. Viele Menschen haben Angehörige verloren. Und auch sie brauchen Hilfe, denn jetzt geht es darum den vielen Opfern eine würdevolle Bergung und Bestattung zu ermöglichen.
Eine würdevolle Bestattung
Daniel Niemeyer ist Pressesprecher bei DeathCare Germany, eines humanitären, ehrenamtlichen Vereins von Bestatter*innen, die bei Katastrophen in Krisengebiete reisen. Die Hilfsorganisation ist mit Teams vor Ort und unterstützt die türkischen Einsatzkräfte zunächst bei der Bergung von Opfern. Außerdem helfen sie beim Transport der Verstorbenen von den Unglücksstellen zu einer zentralen Sammelstelle.
"Es wurden jetzt sogar neue Friedhöfe eröffnet, weil natürlich durch das Erdbeben auch bestehende Friedhöfe in Mitleidenschaft gezogen wurden beziehungsweise die Infrastruktur zerstört ist."
Von der Sammelstelle werden die Verstorbenen dann zu den Friedhöfen überführt und dort an die lokalen Bestatter übergeben, die sich in Zusammenarbeit mit den Angehörigen darum kümmern, die Menschen beizusetzen. Dafür seien jetzt sogar neue Friedhöfe eröffnet worden, weil bestehende Friedhöfe in Mitleidenschaft gezogen und die Infrastruktur zerstört wurde.
Islamische Bestattungstraditionen
Islamische Bestattungen laufen nach bestimmten Regeln ab, hier übernehmen deshalb die türkischen Kolleg*innen erklärt Daniel Niemeyer. Es gehe also nicht darum, die eigenen Vorstellungen oder Traditionen einer Bestattung den Menschen in den Einsatzgebieten überzustülpen. Ganz im Gegenteil: Die Teams würden genau zuhören und mit den Menschen vor Ort sprechen. Um zu kommunizieren, haben sie zwei Dolmetscher dabei.
"Wir hören genau zu und sprechen mit den Menschen vor Ort. Wir haben zwei Dolmetscher mitgenommen, weil wir wussten, dass wir mit Englisch nicht weiterkommen werden."
Die Kolleg*innen vor Ort hätten ihm die Situation geschildert: Die Augen sehen Chaos, Trümmer und Verzweiflung. Doch wenn man mittendrin stecke, merke man eben auch, dass alles sehr gut organisiert und strukturiert abläuft. Daniel Niemeyer sagt, dass er eine unglaubliche Ruhe wahrnehme. Das Ausmaß an Leid und die teils schwer traumatisierten Menschen würden das Team natürlich sehr belasten. Gleichzeitig bringen die klaren, strukturierten Abläufe aber eben auch eine gewisse Spur an Sicherheit zurück, so der Bestatter.
150 bis 300 Trauerfälle am Tag
Bei der Begleitung der Trauerfälle müsse sein Team in einem solchen Katastrophenfall natürlich Einschränkungen machen. Niemeyer spricht von 150 bis 300 Opfern am Tag, um die sich DeathCare kümmert. Ein normaler Bestatter habe sonst etwa 200 Fälle – im Jahr.
"Wir reden tatsächlich davon, dass mein Team je nach Bergungssituation pro Tag 150 bis 300 Menschen versorgt und sich um sie kümmert. Im Verhältnis gesehen macht ein ganz normales Bestattungshaus im Jahr vielleicht 200 Sterbefälle."
Die Herausforderungen sind enorm – sein Team sei aber auf solche Situationen vorbereitet. Alle Teammitglieder seien qualifizierte Bestatter mit entsprechender Zusatzausbildung. Sie hätten gelernt, Mechanismen zu entwickeln, um mit diesen Eindrücken klarzukommen – und sie auch gemeinschaftlich im Team zu verarbeiten, so Daniel Niemeyer.
Nichtsdestotrotz: Was eine solche Belastung mit den einzelnen Einsatzkräften im Zweifel macht, lasse sich aber oft auch erst in der Nachsorge feststellen.