Umgang mit KI, Zugang zum Digitalmarkt, Datenschutz: Es stehen wichtige Entscheidungen an in Brüssel. Die größten Tech-Konzerne der Welt wollen diese in ihrem Sinn beeinflussen – und geben daher immer mehr Geld für ihre Lobbyarbeit aus, sagt die Organisation Lobbycontrol.
In einer aktuellen Studie von Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory ist von über 113 Millionen Euro die Rede, die die Digitalindustrie pro Jahr in ihre Lobbyarbeit in Brüssel fließen lässt. Vor allem Amazon, Google & Co. wollen ihren politischen Einfluss dort ausbauen. Insgesamt sind das über 16 Prozent mehr als noch zwei Jahre zuvor. Damit liegt die Tech-Branche sogar noch für über den gewohnt lobbystarken Unternehmen aus der Finanz- und Automobilbranche.
Wichtige Entscheidungen in Brüssel
Hintergrund für die Lobbyoffensive sind laut Verena Leyendecker von der lobbykritischen Organisation Lobbycontrol eine ganze Reihe an wichtigen Beschlüssen und Gesetzesvorhaben, die gerade auf EU-Ebene besprochen werden und die großen Einfluss haben werden auf die Arbeit der Konzerne.
"Einmal der AI Act für den Bereich Künstliche Intelligenz. Dann der Data Act, der den Umgang mit Daten regeln soll. Oder die Platform Workers Directive, wo es um die Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern geht. Und der Digital Markets Act, der den Marktzugang zum Digitalmarkt regulieren soll."
Gerade beim für unsere Zukunft so wichtigen Thema KI werden jetzt gerade die Grundlagen gelegt: Wo darf künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, wie selbstständig darf sie sein und in welcher Weise darf sie Daten sammeln? Die Tech-Konzerne sind hier bei den meisten Fragen sehr daran interessiert, dass die Gesetze möglichst weit und offen ausgelegt werden. Das bringt ihnen nämlich große Freiheiten in der Entwicklung.
Bei der konkreten Ausgestaltung dieser Gesetze geht es auch immer um die – im Ergebnis äußerst kostenintensive – Frage, wer denn eigentlich haftet, wenn aus den zahlreichen Möglichkeiten, die der technische Fortschritt mit sich bringt, am Ende Schaden entsteht. Für die Big Player wie Alphabet, Meta oder Apple geht es hier um Milliarden. Üppige Investitionen in Lobbyarbeit scheinen ihnen da also offenbar angebracht.
Der "verruchte" Beigeschmack, den Lobbyismus bei vielen nach wie vor hat – Menschen in Hinterzimmern, die sich Geldkoffer zuschieben – trifft nicht mehr ganz zu, sagt Justus Wolters von Deutschlandfunk Nova.
Europäisches Transparenzregister
Es geht um den Kontakt zwischen Unternehmen, Organisationen und Politiker*innen, der über verschiedene Wege stattfindet: Geschäftsessen, Mails, Videocalls oder auch kleinere Events. Für all diese Kontaktformen gibt es inzwischen klarere Regeln, als das noch früher der Fall war: Im Europäischen Transparenzregister wird alles gesammelt – deshalb lässt sich auch besser nachvollziehen, welche Konzerne wie viel Geld in Lobbyarbeit investieren.
Die exakten Beträge stehen dort zwar nicht, aber die Zuwendungen werden in Stufen gelistet, die realtiv genaue Schätzungen ermöglichen, wer da wieviel zahlt, erklärt Justus Wolters.
Großer Einfluss der Big Player
Die Lobbyarbeit gerade der Big Player der Tech Branche zahlt sich anscheinend aus – zumindest was den Zugang zu den Politiker*innen betrifft, hat uns Verena Leyendecker gesagt. Die Vertreter*innen der EU-Kommission haben sich demnach besonders häufig mit den Big-Tech-Konzernen getroffen.
"Wir haben uns beim Digital Markets Act 2021 die Treffen angeguckt: Mit wem hat sich die Kommission getroffen? Und da hat man ganz klar gesehen: 75 Prozent der Treffen war mit Big-Tech-Konzernen. Also ist der Einfluss schon relativ groß, wenn das eben bedeutet, dass die großen Unternehmen sich dadurch eben viel mehr Zugänge verschaffen in die EU-Gesetzgebung."
Es gibt aber auch Gegenwehr gegen einen zu großen Einfluss der Tech-Konzerne auf die EU-Politik – zum Teil sogar mit Erfolg: Die EU-Kommission hat den Vertrag mit der Beratungsfirma RBB Economics gekündigt, die Lobbyarbeit für große Tech-Konzerne wie Google betreibt.
EU-Kommission kündigt Vertrag mit RBB Economics
Lobbycontrol hatte hier zusammen mit anderen Lobbykritiker*innen eine Beschwerde eingelegt. Denn gleichzeitig sollte RBB Economics die EU im Umgang mit ihren Fusionskontrollverfahren beraten. Da gab es also ganz offensichtlich einen Interessenkonflikt, aus dem die EU-Kommission dann auch Konsequenzen gezogen hat.
Fälle wie dieser zeigen, dass die Lobbyarbeit in der EU mittlerweile schärfer von außen beobachtet wird.