Was läuft eigentlich gerade falsch? Der G20-Gipfel zeigt: Die Art der Auseinandersetzung ist schärfer geworden. Andreas Zick ist Konflikt- und Gewaltforscher und sagt: "Wir müssen hingucken, wer sich minderwertig und zweitklassig fühlt."
Andreas Zick kommt aus Essen und hat unter anderem in Bochum studiert. Er weiß, dass das mit dem Zusammenleben nicht immer ganz so einfach ist. Er will herausfinden: Wie entstehen Vorurteile, Gewaltbereitschaft oder Rassismus? Nach dem G20-Gipfel in Hamburg und den Gewalttaten von Paris, Nizza, München oder Würzburg ist das wohl eine der wichtigsten Fragen für die Zukunft unserer Gesellschaft.
"Vorurteile sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen."
Ein Problem: Und Selbst- und Fremdbild gehen, vorsichtig ausgedrückt, recht weit auseinander. 80 Prozent von uns halten sich für weltoffen und tolerant. "Impression Management" nennt Andreas Zick das. Wir wollen ein gutes Bild von uns haben und abgeben.
Am Institut für interdisziplinäre Gewalt- und Konfliktforschung, das Zick als Professor an der Uni Bielefeld leitet, zeichnen die Wissenschaftlicher durch jahrelange Forschung ein anderes Bild: Unsere Vorurteile haben sich verschärft, unsere Gewaltbereitschaft ist gestiegen, die Demokratie ist nicht gefestigt. Klare Worte von Andreas Zick, der 2016 den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten hat.
Dabei ist jeder von uns anfällig: Denn Vorurteile erfüllen eine sehr wichtige Funktion. Sie geben uns Halt und Orientierung - oder zumindest den Eindruck davon. Denn sie werten uns auf und andere ab. So wird Identität und Zugehörigkeit geschaffen. "Deshalb bemühen wir uns, Vorurteile aufrechtzuerhalten", sagt Zick.
"Auch die Gewinner der Gesellschaft pflegen ihre Vorurteile."
Dabei steigt das Vorurteil nicht in der Krise, sondern danach. Der Mechanismus dahinter: Vielen Menschen geht es zum Beispiel nach einer Wirtschaftskrise wieder besser - doch nicht allen. Wer dann zurückbleibt, steigert seine Vorurteile. Das führt in letzter Konsequenz zu Parallelgesellschaften, nicht von Flüchtlingen oder Migranten, sondern von vorurteilsbehafteten und gewaltbereiten Gruppen. Andreas Zick nennt sie die "Jetzt-erst-Recht-Opposition". Die will sich dann auch gerne mal die Straße zurückholen. Da waren wir mit Rostock Lichtenhagen oder Solingen auch in den 90ern schon einmal. Effektive Propaganda sorgt dabei dafür, dass Menschen mehr Ängste fühlen.
"Wir müssen in Räume reingehen, wo sich Radikalität entwickelt."
Was also tun? Als Erstes: sich verantwortlich fühlen. Demokratie ist nicht einfach da, sondern etwas, das wir täglich leben müssen. "Wir müssen genauer hingucken, wer sich minderwertig und zweitklassig fühlt", sagt Andreas Zick. "Und dann dahin gehen." Bei Sven Preger erzählt Andreas Zick, wie er das macht, wie er mit Hate-Mails umgeht und warum er hofft, dass Adorno Recht hatte.
Wir haben vor einem Jahr mit Andreas Zick gesprochen, die Sendung ist eine Wiederholung vom 10. August 2016 - das Gespräch ist nach dem G20 Gipfel leider immer noch sehr aktuell.
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