Margarete Stokowski, Kolumnistin bei Spiegel Online, schreibt viel über Sexualität, Gleichberechtigung oder auch sexualisierte Gewalt. Jetzt in Buchform: "Untenrum frei" ist ihr Erstlingswerk, über das Stokowski in Eine Stunde Liebe ausführlich spricht.
"‘Untenrum frei‘ bedeutet für mich Freiheit in sexueller Hinsicht, und das geht nur, wenn man auch obenrum frei ist", sagt Margarete Stokowski. "Das heißt, wenn man auch frei ist von Geschlechterrollen, Mythen und Klischees bezüglich, was man sich erlauben kann, je nachdem zu welchem Geschlecht man gehört.“
Margarete ist in Polen geboren und in Berlin aufgewachsen. Da lebt Margarete noch immer und beschäftigt sich seit dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften auch mit dem Thema Feminismus.
"Im Feminismus geht es nicht nur darum, dass die Welt für Frauen geiler wird, sondern es geht darum, dass alle den gleichen Zugang zu einer geilen Welt haben.“
Dabei war der Feminismus Margarete lange Zeit suspekt - wozu sich heute noch in Deutschland für Frauenrechte einsetzen? Sie nimmt die sexuelle Revolution der 68er Generation unter die Lupe und stellt dabei fest: Die sexuelle Revolution hat eigentlich nie so stattgefunden, wie es rückblickend dargestellt wird. Wahre Gleichberechtigung und sexuelle Freiheit sind noch längst nicht erreicht.
"Ich will für Freiheit und Gleichheit kämpfen. Für alle Leute, unabhängig von ihrem Geschlecht, sexueller Orientierung, Körper und Aussehen.“
Um darzustellen, wie die Rollenbilder der Geschlechter entstehen, nimmt Margarete ihre eigene Kindheit und Jugend auseinander und geht verschiedenen Fragen nach: Warum hatte ihr Bruder einen Gameboy, und sie und ihre Schwester nicht? Was für ein Frauenbild vermittelt Disneys Meerjungfrau Ariel für junge Mädchen? Wie sieht die Vorstellung von weiblicher und männlicher Sexualität aus, die Jugendzeitschriften wie Bravo vermitteln?
Margaretes autobiografische Observation ist immer wieder sehr persönlich. Mit vier Jahren verletzt sie sich bei einem Fahrradunfall - unten rum. Sie hat keine Wort für das eigene Geschlecht und schreibt rückblickend über
die Scham und das Schweigen.
Von sexualisierter Gewalt zu Selbsthass
Mit 16 Jahren wird sie von einem Lehrer nach dem Unterricht auf dem Heimweg in seinem Auto vergewaltigt. Und sie schweigt auch darüber lange Zeit. Die Folge der Erfahrung von sexualisierter Gewalt ist eine Art Selbsthass, die Magersucht und Ritzen der Arme zur Folge hat.
"Ich glaube, dass es viele Situationen in dem Buch gibt, die Situationen sind, wofür man sich eigentlich schämt und die irgendwie unangenehm oder peinlich sind. Und gleichzeitig weiß ich, dass es Situationen sind, die viele Leute so ähnlich auch erlebt haben. Und ich glaube, das zu lesen, kann für manche Leute erleichternd sein."