Wie sieht eine Stadt aus, deren gesamter Müll wiederverwertet wird – ohne den Müll zu verbrennen oder zu deponieren? Auf diese Frage könnte San Francisco eine Antwort haben. Denn San Francisco will bis 2020 Zero-Waste-Stadt werden. Unsere Reporterin Kerstin ist hingefahren, um herauszufinden, wie das funktionieren kann.
17 Jahre ist es her, da hat sich die US-amerikanische Stadt San Francisco vorgenommen, bis 2020 Zero-Waste-Stadt zu werden. Anlass war das Ziel des Bundesstaats Kalifornien, bis zum Jahr 2010 landesweit nur noch die Hälfte des Mülls zu verbrennen oder zu deponieren. Da San Francisco 2001 dieses Ziel aber schon erreicht hatte, setzte sich die Stadt ein eigenes: Zero Waste bis 2020.
Unsere Reporterin Kerstin ist daher nach San Francisco gefahren, um sich anzuschauen, wie die Stadt das schaffen will – und wie weit sie schon ist. Kerstin hat mit Verantwortlichen und Bürgern gesprochen, die alle aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Vorhaben schauen. Eine wichtige Person, die das Ziel mit gesetzt hat, ist beispielsweise Jared Blumenfeld.
"When you eat a banana from nature. Everything...you can compost that skin, the same is true for an apple or...There is no waste. So we created waste. So our obligation as a species is to eliminate it."
Jared hat 2001 bis 2009 das erste Umweltamt von San Francisco geleitet. Für ihn ist klar: Die Natur produziert keinen Müll. Wir Menschen schaffen Müll, also ist es unsere Pflicht, ihn zu vernichten. Daher haben sich seine Kolleginnen und er auch das hohe Ziel gesteckt.
Müll als Ressource
Für Jared ist es wichtig, umzudenken – Müll muss ihm zufolge als Ressource angesehen werden. Es gehe nicht darum, keinen Müll zu produzieren, das Ziel sei vielmehr, den Müll zu nutzen, der anfällt. Wenn man diesen Perspektivwechsel hinkriegt, dann muss das Endziel null sein, sagt er.
Mit diesem Perspektivwechsel war Jared bisher sehr erfolgreich: Acht Jahre nach der Entscheidung zu Zero Waste landeten in San Francisco nur noch 22 Prozent des Mülls auf der Deponie oder in der Verbrennungsanlage – 2001 waren es noch 51 Prozent. Jared selbst wurde 2010 vom damaligen Präsidenten Barack Obama zum Regionaldirektor der Umweltbehörde EPA im Pazifischen Südwesten gemacht.
Zero Waste-Ziel bis 2020 kann wohl nicht gehalten werden
2018 werden in San Francisco nur noch 20 Prozent des Mülls deponiert oder verbrannt – 80 Prozent kann die Stadt anders nutzen. Trotzdem sagt Alexa Kielty, die im Zero-Waste-Team des Umweltamtes San Francisco arbeitet: Bis 2020 wird es wohl nichts mit Zero Waste.
Denn 20 Prozent, das bedeutet in Zahlen: Mehr als 460.000 Tonnen Müll können noch nicht wiederverwertet werden. Aus diesem Grund haben Alexa und ihr Team den Fokus gewechselt, wie sie Kerstin erzählt. Bisher lag dieser Fokus vor allem auf dem Recycling, also wie genau Papier, Aluminium und Kunststoffe wiederverwertet werden können. Nun soll es darum gehen, weniger Restmüll zu erzeugen. Und das, obwohl in San Francisco gerade mehr weggeschmissen wird.
"But we've decided we don't wanna look at diversion any more. We wanna focus more on our disposal. We wanna drive our disposal down."
Denn mit mehr Müll gehen die Recyclingraten einerseits hoch, sagt Alexa. Aber eben auch die Menge, die kompostiert wird und die Menge, die an Restmüll anfällt – und am Ende auf der Müllkippe landet. Daher geht es für Alexa und ihr Team vorrangig darum, Müll zu vermeiden, bevor er entsteht.
"How to not have trash in the first place and how to recycle all that we do have."
Ein Ziel, das auch Jared Blumenfeld teilt: Müll sollte in erster Linie vermieden werden, wo es geht. Und nur da, wo es nicht geht, sollte er wiederverwertet werden. Wenn es darum geht, Müll zu vermeiden und anfallenden Müll gut zu recyceln, gibt es also zwei wichtige Beteiligte: die Einwohner und die Müllabfuhr. Kerstin sieht sich beides an.
Müll-Meetings für Einwohner damit richtig getrennt wird
Um zu verstehen, wie die Menschen in San Francisco mit Müll und dem Trennen des Mülls umgehen, trifft sie Vanessa Racinet. Vanessa kommt eigentlich aus Deutschland. Sie dachte, dass sie Müll richtig trennen kann, bevor sie nach San Francisco gezogen ist – und wurde von ihrem Nachbarn eines besseren belehrt.
"Jetzt haben wir auch unsere Müll-Meetings. Falls sich irgendwas ändert, ruft der dann die Truppe zusammen hier und klärt uns drüber auf..."
In den USA werden zum Teil andere Dinge ins Recycling geschmissen als in Deutschland. Jede Gemeinde entscheidet dort selbst, was in die Recycling-Tonne gehört und was nicht – das kommt auf die jeweilige Müllabfuhr und deren Müllsortierungsanlagen an. Es kann sich also hin und wieder ändern, was in die Tonne kommt. So ist es auch in San Francisco: Umweltbewusste Einwohner müssen ständig auf dem aktuellen Stand sein. Deshalb gibt es in Vanessas Nachbarschaft jetzt Müll-Meetings.
In Downtown San Francisco sieht es im Vergleich anders aus: Da steht, wenn überhaupt, meist nur ein Abfallbehälter, wie Kerstin auf ihren Touren durch die Stadt beobachtet. Manchmal sieht es für sie sogar so aus, als ob die Menschen dort ihren Müll einfach auf die Straße werfen – müllfrei sind sie Straßen für sie nicht. Dazu kommen rund 200.000 Touristen, die sich mit der Mülltrennung vor Ort nicht auskennen und mit Recyclying-Tonnen im Zweifelsfall nichts anfangen können.
"They do a pretty good job. Best as they could do, you know? We're a lot more cleaner than some places."
Damit auch der Müll auf der Straße in Downtown besser recycelt werden kann, helfen Obdachlose wie Zach und Carlos mit: Sie sammeln recycelbare Materialien ein und bringen sie zu speziellen Centern. Dafür bekommen sie Geld. Carlos erzählt Kerstin, dass Aluminiumdosen dabei mehr einbringen als Plastik. Für einen vollen Einkaufswagen mit dem richtigen Müll bekommt er circa 20 Dollar. Und Zach findet: Es sieht in San Francisco besser aus als in anderen Städten.
Geld als Druckmittel für Abfall unternehmen
Auf der anderen Seite steht das Müllunternehmen. Die Stadt San Francisco hat hier eine einzige Firma beauftragt: Recology. Diese Wahl ist laut Jared Blumenfeld besonders, denn normalerweise laufe es anders in den USA.
Meist sei es so, dass Abfallunternehmen in den USA selbst Mülldeponien betreiben würden, sagt Jared. Daher würden sie mehr Geld damit verdienen, Müll zu deponieren – Recycling bringe im Vergleich nicht so viel ein. Um das zu verhindern, haben die Verantwortlichen in San Francisco mit der Firma Recology vereinbart: Je mehr Recology recycelt, desto mehr Geld gibt es. Je mehr deponiert wird, desto weniger Geld verdient die Firma.
"That was a big thing we learned, is: You've got to give people the right incentives. So: Follow the money, right? You've got to follow the money."
Ähnliche Vereinbarungen gibt es mit anderen Unternehmen der Stadt, wie beispielsweise dem Hilton: Je mehr kompostiert wird, desto weniger muss gezahlt werden. Je mehr Restmüll verursacht wird, desto teurer wird es.
Der Müll, der übrig bleibt, wird von Recology abgeholt. Um zu verstehen, was dann passiert, spricht Kerstin mit Robert Reed, dem Pressesprecher des Unternehmens. Der sagt, dass mittlerweile in 85 Prozent der Anlagen recycelt oder kompostiert werde. Recology verdient beispielsweise Geld mit Essensresten und anderem kompostierbaren Müll. Jeden Tag würden rund 700 Tonnen Essensreste und Grünschnitt eingesammelt. Recology macht daraus Dünger, den es an Bauernhöfe und Weingüter verkauft.
"85 per cent of the facilities that we own and operate are either recycling or composting facilities."
Der natürliche Dünger bringe den Bauern im Vergleich zu chemischen Alternativen einige Vorteile, erzählt Robert Reed. Er hat außerdem beobachtet, dass die Bauern und Winzer mit dem neuen Bewusstsein für Nachhaltigkeit angefangen haben, Pflanzen anzubauen, die Kohlendioxid aus der Luft ziehen und im Boden speichern - so würden aus Bauernhöfen und Weingütern neue Kohlenstoffspeicher.
Robert Reed sagt aber auch, dass ein Teil des Mülls, den Recology einsammelt, noch nicht recycelt oder kompostiert werden kann. Er sieht die Schuld bei der Industrie. Manche Produkte oder deren Verpackung seien nur teilweise oder komplett unmöglich zu recyceln. So blieben 25 Prozent der Anlagen von Recology also weiterhin Mülldeponien oder -verbrennungsanlagen.
Projekt erfolgreich, obwohl Zero Waste vielleicht nie komplett erreicht wird
Trotz aller Anstrengungen wird Zero Waste wohl bis 2020 nicht realisierbar sein – vielleicht auch nicht in den Jahren danach. Trotzdem ist das größere Ziel für Menschen wie Jared Blumenfeld erreicht worden: San Francisco ist auf einem guten Weg, es kann Vorbild für andere Städte sein. Zero Waste als Ziel zu haben, und das mit einer Deadline, sei wichtig gewesen, um die Leute richtig zu motivieren.
"I think, it was important to set a goal and it had to be zero and we had to have a date. So any other city that's thinking about this: You need to have the goal of zero because it inspires people."
Dass die 100 Prozent aktuell nicht erreicht werden können, liegt für Jared auch an den Herstellern – sie sollen Produkte und Materialien überdenken. Aktuell sieht er mit dem jetzigen System in San Francisco die Möglichkeit, auf circa 90 Prozent Wiederverwertung zu kommen.
Außerdem würden einfach nicht alle mitmachen. Das sei normal, davon dürften sich die Menschen nicht entmutigen lassen, die Zero Waste oder Müllreduzierung unterstützen. Und ganz auf Plastik zu verzichten, sei in unserer Gesellschaft aktuell fast nicht möglich, sagt Jared.
Recology Pressesprecher Robert Reed rät in diesem Fall, sich selbst zu fragen, wie unsere Großeltern oder Urgroßeltern gehandelt hätten – denn sie haben im Zweifelsfall noch kein Plastik zur Verfügung gehabt.
"If you really wanna know the solutions, ask yourself: What did my grandparents do, what did my great-grandparents do? Because they didn't have plastic water bottles. They didn't have bioplastic spoons."
In der nächsten Folge startet Kerstin den Selbstversuch: jeweils zwei Wochen so Zero Waste wie möglich - einmal in den USA - und einmal in Deutschland.
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