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Marius pfeift als Schiedsrichter – jedes Wochenende, ehrenamtlich. Das kostet viel Zeit. Aber der Sport ist für ihn einfach wichtig, trotz Beleidigungen, die er manchmal hört. Eine Expertin für Zeitmanagement gibt Tipps für den Start in ein Ehrenamt.

Ein Wecker um 7 Uhr am Sonntag? Für viele ist das eine Horrorvorstellung. Aber für Marius (oben im Bild) ist das ganz normal. Er ist Anfang 20, studiert – und pfeift regelmäßig Fußballspiele als Schiedsrichter. Wenn er an einem Sonntag im Einsatz ist und einen langen Weg zum Spiel hat, muss er eben früh aufstehen.

Marius liebt sein Ehrenamt. Es bedeutet für ihn aber auch viel Planung, um Studium, Privatleben und Schiri sein unter einen Hut zu bekommen. "Das ist meistens eine sehr langfristige Organisation und eine kleine Herausforderung, jede Woche aufs Neue", erzählt er.

"Ohne Schiedsrichter wäre dieser Sport nicht möglich."
Marius, ehrenamtlicher Schiri

Aber er nimmt das gerne in Kauf. Seine Motivation: "Sport ist ein sehr großer Integrationsmotor und bringt viele Menschen zusammen – und ohne Schiedsrichter wäre dieser Sport nicht möglich." Geld spielt dabei übrigens kaum eine Rolle. Marius bekommt eine kleine Aufwandsentschädigung und Fahrtgeld: "Taschengeld trifft es ganz gut."

So wie Marius geht es vielen: In Deutschland engagieren sich laut Bundesinnenministerium rund 29 Millionen Menschen freiwillig. Vor allem bei Sport, Kultur, Musik und im sozialen Bereich, in Schulen, Kindergärten, Kirchen, im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr.

Ehrenamt ist auch Wirtschaftsfaktor

Engagement ist dabei nicht nur für die Zivilgesellschaft wichtig, sondern ist auch ein wirtschaftlicher Faktor. 2019 entsprach das Ehrenamt in Deutschland einem Wert von rund 32 Milliarden Euro. "Sehr wahrscheinlich wird dieser Wert eher unterschätzt", sagt Frank Micheel.

Eine Person sammelt Müll in der Natur auf
© picture alliance / Westend61 | Vira Simon
Umwelt-, Natur- und Tierschutz wird als Ehrenamt beliebter.

In einem Bereich hat es übrigens einen Zuwachs gegeben, sagt er: in den Feldern Umwelt-, Natur- und Tierschutz. "Es hat mich etwas überrascht, dass diese Verschiebung über die Zeit stattgefunden hat", sagt Frank Micheel, der beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zu Ehrenamt forscht.

Zeitmanagement fürs Ehrenamt

Für Marius war es wichtig, dass ihn seine Familie im Ehrenamt unterstützt. Als er noch keinen Führerschein hatte, mussten ihn seine Eltern immer zu den Spielen fahren. "Das ist natürlich nicht selbstverständlich", ergänzt er.

Wertschätzung gibt es von ganz oben, vom DFB oder vom Landesverband, sagt Marius. "Aber je weiter man runtergeht, umso weniger kommt einem Wertschätzung entgegen", sagt er. Er erlebe Jugendtrainer, die ihre elfjährigen Spieler gegen den Schiedsrichter losschicken, oder Trainer, die auf dem Platz Hasstiraden loslassen. Er höre auch immer wieder Beleidigungen oder werde beschimpft. Dennoch überwiegt die Liebe zum Sport.

Der ehrenamtliche Schiri Marius steht mit einer Flagge auf dem Platz.
© Ingo Muhme
Marius pfeift ehrenamtlich Fußballspiele

Ehrenamt – eine Frage der Prioritäten

Wer sich jetzt denkt: Das klingt eigentlich ganz gut – aber wie passt ein Ehrenamt in mein volles Leben? Die Zeitmanagement-Expertin Carina Fink hat ein paar Tipps.

Zuerst hilft ein Überblick, sagt sie. Stell euch die Frage: An welchem Tag mache ich eigentlich was von wann bis wann? In die Antwort gehören dabei nicht nur Ausbildung, Studium oder der (Neben-)Job hinein, sondern auch Hobbys und Freunde.

Und wie ist das mit unverplanten Zeiten? Sollte man sich beispielsweise auch noch die einzigen freien drei Stunden am Dienstagabend vollplanen? "Das ist dann die Entscheidung: Reicht mir die restliche Zeit oder passt es gerade nicht rein?", sagt Carina Fink. Das ist eine Frage der Prioritäten, die sich auch ändern dürfen.

"Es hilft, zu sich und zu der Ehrenamtsstelle ehrlich zu sein."
Carina Fink, bietet Seminare zu Zeitmanagement an

Wer einen Überblick über seine Zeit hat, kann sich dann auch ein passendes Ehrenamt suchen. Dennoch darf auch Erholung nicht zu kurz kommen. "Wir sind ja keine Maschinen. Nur wenn es einem selbst gut geht, kann man sich auch um andere kümmern", sagt Carina Fink.

Vor allem für den Anfang in einem Ehrenamt hat die Expertin für Zeitmanagement einen wichtigen Tipp: sich nicht zu viel vornehmen. "Es hilft, zu sich und zu der Ehrenamtsstelle ehrlich zu sein. Man kann sagen, dass man das Ehrenamt erst einmal ausprobieren will." Nach einer bestimmten Zeit kann man dann ein Fazit ziehen. Und: Nicht für jedes Ehrenamt brauchen wir jede Woche Zeit. Es gibt auch einmalige Veranstaltungen oder Aktionen.

Immer mehr engagieren sich

Genauso wichtig sind aber Pausen – und wenn es nur 15 Minuten sind zwischen einer Vorlesung und dem Ehrenamt. Musik hören, die Augen schließen, um den Block gehen ... einfache Sachen, die man in den eigenen Alltag integrieren kann.

Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Das Ehrenamt in Deutschland entwickelt sich positiv. Laut einer repräsentativen Befragung waren im Jahr 1999 ungefähr jede dritte Person zwischen 14 und 29 engagiert, 2019 waren es 42 Prozent. Frank Micheel vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung findet: "Das ist ein sehr erfreulicher Trend."

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Shownotes
Engagement
Wie passt ein Ehrenamt in unser volles Leben?
vom 22. Januar 2025
Gesprächspartner: 
Marius, Schiedsrichter in Brandenburg
Gesprächspartnerin: 
Carina Fink, gibt Seminare zu Zeitmanagement
Gesprächspartner: 
Frank Micheel, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, forscht zu freiwilligem Engagement
Host und Autor*in: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Friederike Seeger, Anne Bohlmann, Marcel Bohn, Sarah Brendl
Produktion: 
Frank Klein
Quellen:
  • Kelle, Nadiya et al. (2019) Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019, Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA)
  • Freiwilliges Engagement in Deutschland - Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019