Eine Lösung mit Effektiven Mikroorganismen (EM) soll den Opfern der deutschen Flutkatastrophe helfen, Schmutz, Gestank und Schimmel schnell und effektiv zu bekämpfen. Wie sehr das Mittel hilft, ist fraglich. Wissenschaftsjournalistin Verena von Keitz klärt auf und gibt Tipps, was tatsächlich gegen Schimmel hilft.
Über 200 Menschen haben in der Flutkatastrophe ihr Leben, andere ihr ganzes Hab und Gut verloren. Viele Häuser sind einsturzgefährdet. Die Aufräumarbeiten halten an. Professionelle und freiwillige Helfer*innen unterstützen die Bewohner*innen der Gebiete, die von der Flut betroffen sind. Unsere Berichte dazu findet ihr hier.
Für diejenigen, die zurzeit die Flutschäden an ihren Wohnungen und Häusern beseitigen, werden Kanister mit einer bestimmten Lösung bereitgestellt – eine Lösung, die an Wände und Böden gesprüht werden kann und gegen Schimmel und Modergeruch helfen soll.
Multifunktionalität erzeugt Skepsis bei Experten
Diese Flüssigkeit enthält sogenannte Effektive Mikroorganismen (EM) und wird nicht nur nach Flutkatastrophen gegen Schimmel eingesetzt, sondern unter anderem auch zur Reinigung und für das Wachstum von Pflanzen. Dass das Mittel so viele verschiedene Funktionen haben kann, stimmt zum Beispiel den Mikrobiologen Dirk Bockmühl von der Hochschule Rhein-Waal skeptisch.
"Wenn man sich das auf den einschlägigen Internetseiten der Hersteller anschaut, dann können die wirklich alles; von Pflanzenwachstum bis hin zu Reinigung. Da wird man schon ein bisschen skeptisch."
Bei EM-Flüssigkeiten handelt es sich um verschiedene Mikroorganismen in einer Nährlösung. Diese enthalten zum Beispiel Milchsäurebakterien, Hefepilze und auch Mikroorganismen, die Photosynthese betreiben. Das Mittel wurde vor über 30 Jahren in Japan entwickelt.
Ziel war es, mit Hilfe der Mikroogranismen bestimmte Umgebungen positiv zu beeinflussen. Im Fall von Hochwassergebieten beispielsweise, indem die EM-Lösungen Substanzen abbauen, die den Modergeruch verursachen – und außerdem noch dafür sorgen, dass kein Schimmel entsteht.
In den Hochwassergebieten wird die Lösung kostenlos verteilt, aber es gibt sie auch zu kaufen.
EM-Lösung: Wenn überhaupt, nur geringe Wirkung
Obwohl es so viel versprechend klingt – in den Laboren konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden, dass die Lösung tatsächlich hilft. Die Wirkung sei wahrscheinlich sehr gering, aber lässt sich nicht völlig ausschließen, fasst die Wissenschaftsjournalistin Verena von Keitz den aktuellen Stand der Forschung zusammen.
Der Mikrobiologe Dirk Bockmühl und sein Team haben Versuche durchgeführt, die zeigen, dass es sehr schwierig ist, Mikrobenarten zu finden, die andere verdrängen, die in einer bestimmten Umgebung natürlich vorkommen. Etwa den Schimmelpilz, der zum Beispiel ideal an die Lebensbedingungen angepasst ist, die zurzeit in den Kellern und Häusern der Überflutungsgebiete herrschen.
"Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass das funktioniert, und alle Fachleute mit denen ich gesprochen habe, sind recht skeptisch."
Mikroorganismen stehen, wenn sie natürlich vorkommen, oft in Konkurrenz zueinander. Daher ist das Konzept hinter den Lösungen, Mikroorganismen an bestimmten Orten auszubringen, eigentlich ein naheliegender Gedanke. Es ist aber schwierig nachzuweisen, ob das funktioniert.
Nicht klar, was die Lösungen tatsächlich enthalten
Schon bei der Zusammensetzung der EM-Lösungen spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, sodass sich der Inhalt der Kanister mit der EM-Lösung kaum beurteilen lasse, sagt Lorenz Adrian. Er ist Biotechnologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Je nachdem, wie voll die Flaschen sind, ändert sich die enthaltene Sauerstoffmenge. Auch die Temperatur spiele eine Rolle bei der Zusammensetzung der Mikroben.
Experte warnt vor trügerischer Sicherheit durch EM-Lösung
Es mag ein befriedigendes Gefühl sein, die Lösung auf Wände und Böden zu sprühen, in dem Glauben, etwas Sinnvolles gegen Schimmel unternommen zu haben. Das Problem: Andere effektive Maßnahmen würden dann nicht ergriffen werden, sagt Dirk Bockmühl. Denn oft sitzt Schimmel an Stellen, wo wir ihn nicht gut erreichen können, wie in Zwischenwänden oder unteren Bodenschichten. Denn auch wenn Schimmel trocknet, kann er ein Gesundheitsproblem darstellen, sagt die Verena von Keitz.
"Hier sind schwere Geräte wie Bautrockner notwendig, um Innenräume effektiv zu trocknen. In manchen Fällen lässt sich Schimmel nur effektiv beseitigen, indem der Boden bis auf den Estrich herausgerissen wird", sagt die Wissenschaftsjournalistin.
Mehr Tipps dazu, wie ihr gegen Schimmel in der eigenen Wohnung vorgehen könnt, findet ihr, wenn ihr den Link weiter unten anklickt.