Frische Luft ist den Menschen in Deutschland wichtig. Das war auch schon vor der Corona-Pandemie so. Lüften gehört hier zum Morgen- oder Abendritual und wir haben sogar eigenes Vokabular dafür entwickelt. Menschen aus anderen Ländern schmunzeln da schon mal drüber.
Wenn wir in Deutschland davon reden, dass wir mal wieder ordentlich stoßlüften sollten, dann weiß jeder, was gemeint ist. Auch, dass bei gegenüberliegenden Fenstern das Querlüften eine besonders effektive Methode ist, die Luft einmal komplett auszuwechseln, wissen wir. Ganz zu schweigen vom Fenster Kippen, das wir gerne mal über Nacht machen.
Kate Conolly aus Großbritannien, Fabio aus Kolumbien und Shota Urano aus Japan leben in Deutschland und kannten diese Kultur des Lüftens aus ihrer Heimat nicht.
Keine Begriffsvielfalt in anderen Sprachen
Dass wir in Deutschland über einen echten Reichtum an Lüftungsvarianten verfügen, fiel Kate Conolly schon früh auf. Wortwörtlich würde sie stoßlüften mit impact ventilation und querlüften mit cross ventilation übersetzen. Doch diese Worte kennen die Britinnen und Briten nicht, erzählt Kate. In Deutschland wisse dagegen jeder sofort, was damit gemeint ist.
Lüften nur bei einem konkreten Grund
Eine ähnliche Beobachtung hat auch Fabio gemacht. Er studiert seit ungefähr vier Jahren in Hamburg. Im Spanischen gibt es nur ein Wort für das Lüften: Airear. Rituale oder bestimmte Prozesse verbinde er mit diesem Wort aber nicht, erzählt er.
"Es gibt das Wort airear. Airear bedeutet auch 'lüften' aber wir haben diese kulturelle Praxis nicht."
Obwohl die Hauptstadt Bogotá weit oben in den Anden liegt und dort auf mehr als 2500 Metern Höhe die Temperaturen einem ganzjährigen deutschen Oktober entsprechen, stehe das Fenster in den meisten Häusern die ganze Zeit offen, berichtet Fabio weiter. Nachts kann es dann manchmal auch ziemlich kalt werden. So richtig bewusst gelüftet werde nur, wenn es beispielsweise zu viel Rauch im Zimmer gebe. Es braucht also einen konkreten Grund.
Auch in Japan stehen die Fenster immer auf Durchzug, erzählt Shota Urano, der Vize-Konsul im Japanischen Generalkonsulat in Düsseldorf. Lüften heißt dort kanki und es sei nichts, um das man sich speziell kümmere. Deshalb seien die meisten Häuser so gebaut, dass die Luft einfach immer durchzieht.
"In Japan gab es immer diesen Gedanken: Lüften muss immer passieren. Also quasi 24 Stunden. Und deshalb sind japanische traditionelle Häuser so gebaut, damit sie immer durchzieht!"
Andere Länder, andere Fenster
Auch die Konstruktion der Fenster ist in vielen Ländern der Welt anders als bei uns. Fabio erzählt, dass es in Kolumbien nur die Fenster gebe, die man nach oben oder unten schiebe. Sash window nennen die Britinnen und Briten diese Art des Fensterbaus, sagt Kate. Sie ist auch in Großbritannien die gängige Variante und sie stehen in den meisten Fällen immer auf Durchzug. Die Bauweise könne aber auch schnell gefährlich werden, weil das Fenster wie ein Fallbeil herunterfallen könne. Die Deutschen fänden diese Art der Fenster aber oft sehr charmant, sagt Kate.
"Die sind aber ziemlich gefährlich, die können wie ein Fallbeil funktionieren und da bläst immer ein Zug durch die meisten Häuser und die Leute haben sich daran gewöhnt."
Die Japaner haben ebenfalls Schiebefenster in ihren Häusern. Das bedeutet auch: Wenn es kalt wird, dann zieht man sich auch drinnen dicker an. Urano war deshalb besonders überrascht darüber, dass wir Deutschen im Winter zuhause auch mal im T-Shirt herumliefen.
"Als ich hier in Deutschland war im Winter, da war ich am Anfang ziemlich überrascht, dass die Leute hier einfach mit T-Shirt im Winter, weil es hier warm ist im Gebäude drinnen. In Japan zieht man sich schon dick an. Zu Hause auch."
Eine Frostbeule in Kolumbien, Großbritannien oder Japan zu sein - das ist nicht ganz so praktisch. Aber alle drei versichern uns, sie könnten der Kälte gut trotzen.