In den Niederlanden schlägt die Polizeigewerkschaft Alarm: Das Land sei mittlerweile ein Narco-Staat. Wegen Personalmangel habe man derzeit kaum eine Chance, das zu ändern. Eine neue Untersuchung hat jetzt ergeben, dass die Drogenkriminalität ein Ausmaß erreicht hat, das so niemand vermutet hätte - es geht dabei um Geldsummen, die an den Jahresumsatz von Großkonzernen reichen.
In den Niederlanden läuft aktuell eine ziemlich hitzige Debatte über Drogen im Land. Grund ist der am Wochenende veröffentlichte Drogenbericht der Polizeiakademie in Apeldoorn. Der besagt, dass im vergangenen Jahr synthetische Drogen mit einem Straßenverkaufswert von knapp 19 Milliarden Euro produziert worden sind. Die Zahl übertrifft den Jahresumsatz eines Großkonzerns wie Philips.
Gute Infratruktur für organisierte Kriminalität
Zwar sei bekannt, dass die Niederlande mit dem Rotterdamer Hafen ein Zentrum insbesondere für den internationalen Kokainhandel seien, sagt der Drogenexperte Benedikt Strunz. Was bisher weniger bekannt war, ist, dass das Land auch ein Zentrum für die Produktion synthetischer Drogen ist: Chrystal Meth, Ecstasy, Amphetamine und Methamphetamine werden in großen Mengen produziert - nicht nur für den europäischen, sondern auch für den weltweiten Markt.
Der Handel mit Drogen sei ein kompliziertes Geschäft, das eine funktionierende kriminelle Infrastruktur benötige. Und die habe sich in den vergangenen Jahren in den Niederlanden herausgebildet. Dazu gehören Möglichkeiten, um mehrere Tonnen Drogen zu lagern, Orte, an denen Schwarzgeld gewaschen werden könne, Kontakte in die Häfen und zur Polizei. Hinzu kommt: In Bezug auf Drogendelikte gibt es in den Niederlanden ein geringes Strafmaß, einen geringen Verfolgungsdruck und eine oft nicht zielführende Ermittlungskultur der Polizei.
Der Drogenexperte Strunz sagt, der Rotterdamer Hafen - als einer der wichtigsten Umschlagplätze - sei beispielsweise komplett infiltriert und voller korrupter Strukturen. Hier hätten sich die kriminellen Banden festgesetzt, die ihre Konflikte immer öfter auch mit Waffengewalt lösen. Die Polizei stehe dieser Entwicklung hilflos gegenüber und gibt sogar zu: Die Niederlande sind ein Narco-Staat.
"Die Polizeigewerkschaft hat Anfang des Jahres gesagt: Wir sind mittlerweile ein Narco-Staat. Mit der derzeitigen Personaldecke kriegen wir das überhaupt nicht mehr eingedämmt."
Europäische Ermittler, so Strunz, würden im stillen Kämmerlein die Ermittlungstaktik der niederländischen Behörden für diese Entwicklung mitverantwortlich machen. "Die schöpfen die Drogen lieber direkt vom Markt ab, als sie weiterverkaufen zu lassen, um dann an die Hintermänner zu kommen", so der Drogenexperte. Zwar könnte das auch den fehlenden Kapazitäten der niederländischen Polizei geschuldet sein, Aussicht auf Erfolg habe eine solche Polizeiarbeit ohne den nötigen Druck und Härte aber nicht.
"Wer im Bereich des internationalen Drogenhandels ermittelt, muss hart ermitteln, braucht dafür die notwendigen Ausstattungen und dann müssen auch die richtigen Urteile dabei rauskommen.“
Der Drogenhandel sei ein internationales Problem, daher müsse man sich generell die Frage stellen, ob der Kampf gegen Drogen überhaupt noch gewonnen werden kann. In Kolumbien beispielsweise habe sich die Anbaufläche für Kokain seit 2013 verdoppelt.
"Es spricht viel dafür, dass eine Legalisierung von Drogen den Menschen das Geld wegnehmen würde, die uns gerade am meisten Probleme bereiten, allerdings glaube ich auch nicht, dass dafür das politische Klima in Deutschland und in Europa herrscht", sagt Benedikt Strunz.
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