Kontakt- und Ausgangssperren machen vielen von uns das Leben schwer: Im Home-Office kann einem schnell die Decke auf den Kopf fallen. Und wer alleine wohnt, dem droht Einsamkeit. Für die Psyche ist das gerade eine harte Belastungsprobe – vor allem aber für diejenigen, die auch vorher schon Probleme hatten.
Suchtkranke wie Adalbert* haben es jetzt schwer. Adalbert ist Anfang dreißig, ketamin- und kokainsüchtig. Seit seiner frühen Jugend ist er drogenabhängig. Er nehme eigentlich alles, sagt er, abgesehen von Heroin und Crystal Meth.
"Ich bin das, was man ganz klassisch einen Toxikomanen oder einen Polytoxikomanen nennt. Hauptsubstanzen sind Ketamin, Kokain und Alkohol. Eigentlich alles, außer Heroin und Crystal Meth."
Adalbert hat im Moment kaum noch Kontakt zu anderen Menschen. Psychische Beratung und Betreuung finden nur noch per Chat oder Telefon statt. Außerdem hatte er sich um eine neue Entwöhnungstherapie bemüht, die, so befürchtet er, erstmal verschoben werden muss.
"Der menschliche Kontakt fehlt, die ganzen menschlichen Strukturen, die Netzwerke, die Gruppen. Alles ist weg, alles läuft nur übers Telefon."
Für Suchtkranke ist Stabilität besonders wichtig, Regelmäßigkeiten im Alltag. Adalbert hat zwar einen geregelten Job, in dem er momentan im Homeoffice arbeiten kann, ihm fehlen aber viele persönliche Kontakte, die ihn ablenken. Besonders vermisst er die Gespräche mit anderen Suchterkrankten. Sie sind sonst die einzigen, von denen er sich verstanden fühlt. Das Verlangen nach Drogen ist für Adalbert in dieser einsamen Zeit noch stärker als sonst.
"Ich merke, dass der Suchtdruck viel häufiger und viel stärker kommt, als es der Fall wäre, wenn ich noch diesen Austausch hätte."
Gegen den Suchtdruck, also das Verlangen danach, Drogen zu nehmen, kämpft Adalbert normalerweise an, indem er viel Sport macht und sich mit Freunden trifft. Beides ist nun nicht mehr möglich, sagt er.
Vermehrter Konsum in Ausnahmesituationen
Heike Krause, die für den Berliner Drogennotdienst arbeitet, befürchtet, dass viele Süchtigen nun mehr konsumieren: "Meist werden Drogen konsumiert, um psychische Probleme entweder runterzudrücken oder um schöne Erlebnisse weiter nach oben zu pushen." Und in dieser psychischen Ausnahmesituation sei es wahrscheinlich, dass Abhängige ihren Konsum steigern oder auch andere Drogen ausprobieren.
"Das ist jetzt eine psychische Ausnahmesituation. Und gerade bei Leuten, die zu Drogen greifen, da ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Konsum steigt oder zu anderen Drogen gegriffen wird."
Für viele Suchtkranke kommen außerdem weitere Probleme hinzu. Viele von ihnen haben Vorerkrankungen und gehören zur Corona-Risikogruppe. Für diejenigen, die an einem Substitutionsprogramm teilnehmen, ist es deswegen eigentlich nicht so sinnvoll, jeden Tag in einer Arztpraxis zu gehen. Durch die geschlossenen Grenzen gibt es Engpässe auf dem Schwarzmarkt, die Drogen werden teurer. Ein notgedrungener, kalter Entzug könnte jedoch lebensgefährlich sein.
Heike Krause findet beide Extreme bedrohlich: Sowohl den verstärkten Konsum bis hin zur Überdosierung, als auch den kalten Entzug, wenn der Stoff fehlt. Sie fürchtet, dass die Zahl der Drogentoten durch die Corona-Krise steigen könnte.
"Die Zahlen der Drogentoten sind in der vergangenen Woche von der Bundesdrogenbeauftragten veröffentlicht worden. Dort war ein 10-prozentiger Anstieg zu sehen. Die Corona-Krise wird sicherlich nicht zu einer Stabilisierung der Zahlen beitragen."
*Name von der Redaktion geändert