Wer kommt an die Uni? Wer lehrt dort? Was wird dort gelehrt und was erforscht? Hochschulen haben einen öffentlichen Bildungsauftrag, sollen offen und neutral sein. Erfüllen sie das? Nein, sagt die Sozialwissenschaftlerin Johanna Leinius.
Die Uni ist ein Spiegel der Gesellschaft, sagt Johanna Leinius, die wissenschaftliche Leiterin des Cornelia Goethe Centrums der Uni Frankfurt. Damit meint sie allerdings nichts Gutes: Denn die Universitäten reproduzierten Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft, erklärt sie – Rassismus etwa oder Sexismus.
Universität reproduziert und produziert Ungerechtigkeiten
In ihrem Vortrag beschreibt sie anhand von Studien die verschiedenen Dimensionen von Ungleichheit und Diskriminierung an Universitäten. Dass etwa Kinder von Nichtakademiker*innen oder Menschen mit Migrationsgeschichte seltener ihren Weg an die Uni finden, dass die Lehrenden nach wie vor weit überproportional weiß, männlich und bürgerlich sind, ebenso der gelehrte Kanon, und dass Frauen und queere Menschen messbare Nachteile im Studium haben – unter anderem.
"Selbst in Laboren, selbst in Naturwissenschaften, ist Wissen eben nicht rein objektiv und neutral, sondern immer geprägt von den Personen, die diese Wissenschaft ausführen."
Das ist ein Problem, so die Sozialwissenschaftlerin. Und zwar nicht "nur", weil so Menschen ausgeschlossen von Hochschulbildung bleiben und Diskriminierung erfahren und weil relevantes Wissen keine Berücksichtigung findet. Sondern auch, weil die am Wissenschaftssystem beteiligten Menschen auch das Wissen prägen, das dieses hervorbringt – und somit die Gesellschaft, uns alle.
"Es geht um Chancengleichheit, um Demokratie, letztendlich um Gerechtigkeit."
In ihrem Vortrag beschreibt Johanna Leinius ihre Problemwahrnehmung mit einem postkolonial-feministischen Ansatz und belegt sie mit vielen Studien und Erfahrungsberichten. Sie spricht auch Lösungen an: Etwa, wie ein Kanon verbessert werden kann, ohne dass Klassiker von den Literaturlisten gestrichen würden – denn das sei niemandes Absicht, betont sie.
Johanna Leinius ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Cornelia Goethe Centrums an der Goethe-Uni Frankfurt am Main. Ihren Vortrag mit dem Titel: "Universität queeren und postkolonisieren – Ein- und Ausschlüsse an Hochschulen" hat sie am 26. April 2023 im Rahmen der Vorlesungsreihe "Was ist Universität?" der Uni Frankfurt gehalten, die vom Goethe-Orientierungsstudium Geistes- und Sozialwissenschaften veranstaltet wurde.
- Einleitung
- Überblick über den Vortrag
- Johanna Leinius stellt sich und das Cornelia Goethe Centrum vor
- Warum über wissenschaftliche und institutionelle Situiertheit sprechen?
- Universität als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse
- (Post-)koloniale Logiken an der Universität
- Letzter Vortragsteil: Intersektionalität – Trans*, inter* und nicht-binäre Perspektiven
- Universität queeren und postkolonisieren – Was bedeutet das?
- Publikumsfragen