"The Handmaid's Tale" – auf Deutsch "Der Report der Magd" – hat als Serie Erfolg. Vorlage ist ein Roman von Margaret Atwood. Jetzt ist die Fortsetzung "Die Zeuginnen" erschienen. Worum geht es in der (anti)-feministischen Dystopie?
Wer mehr guckt als liest, der kennt bestimmt die Serie "The Handmaid's Tale" – zu Deutsch "Der Report der Magd". Da ist gerade die dritte Staffel gestartet. Inhaltlich geht es um die junge Desfred, die im Amerika der Gegenwart lebt, das nach einem Putsch aber völlig anders ist: nämlich fundamentalistisch-christlich, beziehungsweise halb-faschistisch. Frauen werden zwangsverheiratet und als Gebärmaschinen missbraucht.
"Die Zeuginnen": Margaret Atwood liefert nach 35 Jahren Fortsetzung
Was vielleicht nicht alle wissen: Die Serie basiert auf einem Buch von 1985 von Margaret Atwood. Am 10. September 2019 ist die Fortsetzung mit dem Titel "Die Zeuginnen" erschienen. Dieses Buch hätte es nicht gegeben, wenn nicht zahlreiche Leserinnen und Leser so viele Fragen gestellt hätten, sagt die Autorin.
"Immer wieder fragten sie, was nach dessen Ende passiert sei. Fünfunddreißig Jahre sind eine lange Zeit, um über mögliche Antworten nachzudenken, und die Antworten haben sich mit der Gesellschaft gewandelt; aus Möglichkeiten wurden Aktualitäten."
Anspielungen auf die Gegenwart gibt es im Werk durchaus: Inhaltlich geht es um wörtliche Bibelinterpretation, die Doppelmoral von Predigern oder Frauen, die vergewaltigt und dann auch noch die Schuld in die Schuhe geschoben bekommen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Pascal Fischer. "Das sind ganz klare Anspielungen auf die Me-Too-Debatte".
Unterdrückung und Widerstand
"Die Zeuginnen" spielt etwa 15 Jahre nach "Der Report der Magd". Es sei eine Art Thriller, mit mal mehr, mal weniger überraschenden Wendungen. Die Geschichte wird von den drei weiblichen Hauptfiguren erzählt, die im Gottesstaat "Gilead" leben: Von Daisy, die im freien Kanada aufwächst, sich aber später als Agentin nach Gilead einschleusen lässt. Von Agnes, die in Gilead aufwächst und sich gegen eine Zwangsheirat wehrt. Und von Lydia, einer Lehrerin, die alte Feinde innerhalb des Regimes hat und sich an ihnen rächen will.
"In Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs stehen fiktionale Gesellschaftsentwürfe hoch im Kurs, auch in Hinblick auf Geschlechterhierarchien."
Fakt ist: antifeministische Dystopien sind ein Trend in der Literatur. Andere Beispiele sind etwa "Miroloi" von Karen Köhler oder "Vox" von Christina Dalcher – beides Visionen eines extremen Patriarchats. Die Germanistin Magdalena Hangel meint, dass dieser Trend mit der aktuellen politischen Lage zusammenhängt.
Verlag startet riesige Werbe-Maschinerie
Jedenfalls ist das Interesse zum Start des neuen Romans riesig. Die Marketing-Maschinerie, mit der "Die Zeuginnen" beworben wird, ist groß: Rezensenten haben Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen müssen, es sind live gestreamte Lesungen der Autorin, weltweit in Kinos übertragene Diskussionen sowie Mitternachtspartys der Buchhändler veranstaltet worden.
"Es ist jetzt nicht Goethes Faust, sondern Unterhaltungsliteratur mit ein wenig Feminismus und Ideologiekritik."
Pascal empfindet "Die Zeuginnen" nicht so beklemmend wie "Der Report der Magd". Generell könnten solche düsteren Zukunftsromane aber eindringlich zeigen,
wohin die Dinge führen, wenn wir nicht aufpassen, sagt er.
Ein gelungenes Beispiel einer Dystopie ist seiner Meinung nach übrigens Naomi Aldermans "Die Gabe": "Darin können Frauen Männern Stromstöße versetzen, und die Frauen werden dadurch genauso machtbesessen wie früher die Männer. Also eine viel fundamentalere Kritik an Machtverhältnissen", meint er.