Bundesweit haben Polizisten 2018 nach Gewerkschaftsangaben rund 22 Millionen Überstunden angesammelt. Die Polizistin Vanessa Hawlitschek sagt: Zeit für Privates und für die Familie bleibt auf der Strecke. Sie wünscht sich mehr Wertschätzung und Fürsorge von ihrem Arbeitgeber. Ihren Job würde sie trotzdem nie aufgeben wollen.
200 Überstunden hat die 27-jährige Polizistin Vanessa Hawlitschek zuletzt angesammelt. Sie habe es aber auch schon auf 600 Überstunden geschafft, sagt sie. Seit fünf Jahren arbeitet Vanessa bei der Polizei in Frankfurt. Darüber hinaus engagiert sie sich auch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft. Für Vanessa und ihre Kollegen sind die vielen Überstunden ein klares Symptom für den Personalmangel bei der Polizei.
"Die Überstunden spiegeln wieder, an wie vielen Stellen es an Personal fehlt."
Termine, Familie und private Zeit – all das fällt der hohen Arbeitsbelastung häufig zum Opfer. Die Neueinstellungen, die die Politik versprochen hat, würden den Personalmangel nicht kompensieren. Hinzu kommt, dass viele Beamte in Pension gehen und ebenfalls ersetzt werden müssen. Außerdem steige die Aufgabenvielfalt und auch die Einsatzlagen häufen sich und werden immer kräfteintensiver. "Das wird scheinbar gar nicht berücksichtigt", so die Polizistin.
Auch an freien Tagen müssen Polizisten zum Dienst
Wenn Vanessa am Ende ihrer Zwölf-Stunden-Schicht noch an einer Unfallstelle oder bei einer Demonstration steht, dann könne sie nicht einfach in den Feierabend gehen.
"Wenn man dann noch an einer Unfallstelle oder einer Demonstration steht, dann kann ich nicht einfach gehen, wenn die Uhr eigentlich meinen Feierabend einläuten würde."
Mittlerweile sei es sogar so, dass die freien Tage eingefordert werden, um die hohe Zahl der Einsätze zu bewerkstelligen, sagt Vanessa. Dabei verlassen Beamte oft auch ihren eigentlichen Aufgabenbereich. Beispielsweise müssen Streifenpolizisten dann auch bei Großeinsätzen Dienst schieben.
Immerhin würden die Überstunden seit Kurzem wieder ausgezahlt, lange Zeit stand das nicht zur Debatte. Allerdings sei der Ausgleich zum einen keine Eins-zu-eins-Vergütung. Zum anderen stehe der gezahlte Wert nicht annähernd im Verhältnis zu der Zeit, die für das eigentliche Leben und für die Familie fehlt. Sie und ihre Kollegen fühlen sich hier viel zu wenig wertgeschätzt von ihrem Arbeitgeber.
"Ich liebe meinen Job und mache den sehr sehr gerne, weil das Aufgabengebiet superspannend und nah am Menschen ist. Und das macht einfach Spaß und das würde ich auch niemals aufgeben wollen."
Bei allem Frust liebt Vanessa ihren Job und würden ihn nie aufgeben wollen, sagt sie. Noch sei sie jung und stecke die Belastung so einigermaßen weg. Sie weiß aber, dass es mit dem Alter immer schwieriger wird, mit einer solch hohen Belastung zurechtzukommen. "Eigentlich müsste ein Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen und jetzt schon erkennen, dass die Rechnung nicht aufgeht", sagt die junge Polizistin.
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