Was wir unter Asyl verstehen und wie wir mit Flüchtlingen umgehen, hängt auch davon ab, in welcher Zeit wir leben, erklärt Jochen Oltmer. Er ist Professor für Migrationsgeschichte an der Universität Osnabrück.
"Politisch Verfolgte genießen Asyl" - über diesen Satz aus dem Asylartikel des Grundgesetzes diskutieren wir seit 1949, erklärt Jochen Oltmer. Wer als politisch verfolgt gilt und was wir unter Asyl verstehen, das hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert.
Verstärkte Abwehrreaktion
Mit welchen Inhalten wir diesen Satz füllen, ist entscheidend dafür, wie wir mit Flüchtlingen umgehen. Vor allem seit der Flüchtlingswelle in den 90er Jahren hat sich unsere Haltung gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern verändert. Damals sprach Bundeskanzler Helmut Kohl vor dem Hintergrund der starken Zuwanderung vom Staatsnotstand und in Deutschland verstärkte sich die Abwehrreaktion.
Petitionen für offene Aufnahme
Anders war das 1957. Während der Volksaufstände in Ungarn gab es eine große Welle der Solidarität mit den Flüchtlingen. Über Petitionen, Demonstrationen und die Presse hat sich die Bevölkerung für eine offene Aufnahmepolitik eingesetzt. Ähnlich lief es auch 1968 während des Prager Frühlings. Auch hier zeigte sich Deutschland hilfsbereit und solidarisch.
Herzlich Willkommen, Boat People
1980 gibt es in Deutschland erstmals mehr als 100.000 Asylgesuche in einem Jahr. Und hier, findet Jochen Oltmer, gibt es eine interessante Entwicklung. Denn während auf der einen Seite die Zugangsmöglichkeiten beschränkt werden, gibt es auf der anderen Seite eine erhöhte Bereitschaft, Flüchtlinge einer ganz bestimmten Gruppe aufzunehmen: Die Boat People aus Vietnam. Sie werden nicht als Belastung empfunden. Im Gegenteil. Die Spendenbereitschaft in der deutschen Bevölkerung ist enorm.