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"Wenn Mann mit Mann und Frau mit Frau Unzucht treiben, soll man sie nach allgemeiner Gewohnheit mit dem Feuer vom Leben zum Tode richten." So stand es in der "Constitutio Criminalis Carolina", mit der Kaiser Karl V. 1532 den zweifelhaften Ruhm erntete, die Verfolgung von Lesben und Homosexuellen gesetzlich verankert zu haben. Seitdem ist der berüchtigte Paragraf in unterschiedlichen Fassungen Teil der Strafgesetze in Deutschland. Erst 1994 wurde er gestrichen.

Die Bundesrepublik hatte den 1935 von der NS-Regierung verschärften Paragrafen 175 übernommen und 1949 im Strafgesetzbuch festgeschrieben. Etwa 100.000 Strafverfahren hat es bis 1994 gegeben, die meisten bis 1969, als der Paragraf 175 zum ersten Mal "entschärft" wurde.

Im Zuge der deutschen Einheit wurde der Paragraf 1994 gestrichen und durch einen Schutzparagrafen für Minderjährige - unabhängig von sexueller Orientierung und Geschlecht - ersetzt.

"Eine Person wollte mich erpressen, weil sie herausbekommen hatte, dass ich homosexuell sei. Ich habe das angezeigt. Das war ein Problem: Ich stand kurz vor meiner Promotion und meine Karriere hätte dadurch scheitern können."
Buchautor Gottfried Lorenz wurde wegen seiner Homosexualität erpresst.

Späte Entschädigung für Betroffene

Im März 2017 hat das Bundeskabinett nun beschlossen, jenen homosexuellen Männern, die Opfer des Paragrafen 175 geworden sind, eine Entschädigung zu zahlen und das gegen sie verhängte Urteil aufzuheben.

Damit werden nicht nur die Urteile aufgehoben, die während der NS-Zeit ausgesprochen wurden, sondern auch jene, die vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren in der Bundesrepublik gefällt wurden.

Die Regierung erkennt damit nicht nur das Unrecht an, sondern bringt auch zum Ausdruck, dass Diskriminierung wegen sexueller Orientierung nicht akzeptiert werden kann.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Historiker Erwin In het Panhuis schildert das Leben Homosexueller in der Kaiserzeit und im Übergang zur Weimarer Republik.
  • Wolfgang Theis, Kurator des Schwulen Museums in Berlin, über die Homosexuellen-Verfolgung im NS-Staat.
  • Buchautor Gottfried Lorenz schildert die Situation von Homosexuellen in der Bundesrepublik.
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld über die Verfolgungen von Homosexuellen zu unterschiedlichen Zeiten.
Shownotes
Der Paragraf 175
Anfang und Ende eines Unrechts
vom 21. April 2017
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, DRadio-Wissen-Geschichtsexperte