In der Nacht vom 23. auf den 24. August 1939 reiben sich zwei ansonsten zutiefst verfeindete Regimes die Hände: Hitler und Stalin schließen einen Nichtangriffspakt zwischen Faschisten und Kommunisten. Zehn Jahre lang wollen die Unterzeichner des Deutschen Reiches und der Sowjetunion alles vermeiden, um weder direkt noch in einer Allianz mit Verbündeten die jeweils andere Seite anzugreifen. Ein Vortrag von Claudia Weber.
Teils gar nicht, teils wenig bekannt ist das Zusatzprotokoll, das zur selben Stunde gleich mitvereinbart wird: Ganz Mitteleuropa soll in Interessensphären aufgeteilt werden - und genauso kommt es dann auch. Polen etwa fällt mit seiner östlichen Hälfte Russland zu, die westliche bekommt Hitler. So geschehen am 1. September 1939 mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen und nur kurze Zeit später, am 17. September, mit dem der Sowjets.
"Die Ankündigung des Nichtangriffspaktes mit Moskau ist die große Weltsensation. Das ganze europäische Kräftebild ist damit verschoben. London und Paris sind fassungslos."
Die Historikerin Claudia Weber betrachtet diese Notiz von Goebbels in dessen Tagebuch differenziert. Natürlich habe er sich gefreut, da mit Vertragsschluss der Weg für die deutsche Expansionspolitik frei geworden sei. Allerdings sei der Pakt auch eine logische Folge der instabilen Lage Europas Anfang der 30er Jahre nach der Weltwirtschaftskrise gewesen. Fast alle Länder - ob groß, ob klein - hätten um eine Neuordnung und Vormachtstellung regelrecht geschachert. Allerorts habe es Verhandlungen - mal geheim, mal hochoffiziell - zwischen Regierungen gegeben, die sich sonst wohl nie an einen Tisch gesetzt hätten. Unter diesem Aspekt sei auch der Hitler-Stalin-Pakt zu sehen.
"Andererseits war der Pakt das Resultat lang andauernder Gespräche und eines sehr zeitigen Bemühens der Sowjetunion, mit dem Dritten Reich in Kontakt zu bleiben."
Im Jahr 2009 hat das Europäische Parlament dieses historische Datum zum Gedenktag für die Opfer aller totalitären und autoritären Regime erklärt. Die späteren millionenfachen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg haben in der Nacht vom 23. auf den 24. August eine wesentliche Hürde genommen. Nur eine Woche später konnte die Wehrmacht ungehindert Polen überfallen.
Die Ständige Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum hat am 22. August 2019 die Veranstaltung "Geteilte Erinnerungen - 80 Jahre nach dem 23. August 1939" organisiert. Mitveranstalter in Berlin waren die Robert-Havemann-Stiftung sowie die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Im Mittelpunkt stand ein Vortrag der Historikerin Claudia Weber, Leiterin des Viadrina-Center der Stiftung Europa-Universität.