Die Bürgerräte haben dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble ihr erstes Gutachten überreicht. Einer der 22 Vorschläge ist, Volksentscheide auf Bundesebene zuzulassen, um die Bürger mehr an Politikentscheidungen zu beteiligen. Ob es überhaupt soweit kommt, hängt jetzt vom Bundestag ab.
Mit dem Bürgerrat Demokratie solle frischer Wind in die Politik gebracht werden. Die Ratsmitglieder sind zufällig aus der Bevölkerung ausgewählt worden. Voraussetzung: Deutsche Staatsbürgerschaft und mindestens 16 Jahre alt. Unter den zufällig ausgewählten Räten könnten Menschen sein, die sich sonst vielleicht eher nicht in der Politik engagieren.
Ihr Blick auf die Themen ist deshalb besonders spannend, sagt der Politikwissenschaftler Marcel Solar. Das sei auch die Grundidee des Bürgerrats: viele unterschiedliche Perspektiven.
"Die Grundidee des Bürgerrates: Ein Blick auf Politikthemen aus ganz unterschiedlichen Richtungen."
Die Initiatoren des Bürgerrats, Mehr Demokratie e.V. und die Schöpflin Stiftung, orientieren sich an Vorbildern im Ausland wie zum Beispiel der Citizens' Assembly in Irland. Deren Mitglieder wurden ebenfalls zufällig ausgewählt. Mit den Räten seien in Irland umstrittene Verfassungsänderungen vorbereitet worden.
Räte können Diskussion um heikle Themen vorwegnehmen
Die Gesellschaft in dem konservativ und katholisch geprägten Land hat sich über die Jahre gewandelt, erklärt Marcel Solar. Die Räte hätten Vorschläge zu Änderungen in Bezug auf Schwangerschaftsabbruch oder gleichgeschlechtliche Ehe ausgearbeitet. Diese Vorschläge seien in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess eingegangen.
"In Irland sind die Bürgerideen sehr prominent gehört worden."
Die Bürgerräte beschäftigen sich mit den unterschiedlichsten Themen. Das kann sehr gut gelingen, sagt der Politikwissenschaftler, wenn die Räte umfassend informiert sind. "Es gibt nichts, was zu komplex ist," meint er.
"Auch Bürger können Gutachten schreiben, die müssen nur gut gebrieft sein."
Der noch junge Bürgerrat Demokratie hat seit Juni in verschiedenen Regionalkonferenzen getagt und die Ideen später auf Bundesebene abgestimmt. Sein erstes Gutachten mit 22 Empfehlungen hat der Rat feierlich am 15. November an den Präsidenten des Bundestages, Wolfgang Schäuble, übergeben.
Der Bürgerrat hat keine gesetzliche Handhabe
Teil der Empfehlungen sind zum Beispiel Ideen zu Volksentscheiden auf Bundesebene. Das Gutachten geht jetzt an den Bundestag, der mit dem Gutachten machen kann, was er will, sagt Marcel Solar. Denn es gibt keine Handhabe des Bürgerrats gegenüber dem Bundestag.
"Ich wäre nicht so optimistisch, dass aus dem Gutachten groß etwas wird."
Weil das so ist glaubt Marcel Solar, dass aus dem überreichten Gutachten und dem Bürgerrat nicht viel Konkretes folgen wird – Es sei denn, das öffentliche Interesse am Bürgerrat und an mehr direkter Demokratie von unten werde stärker, sodass der Bundestag diese Initiative nicht übergehen könne. Tatsächlich sei aus den Debatten um mehr Demokratiebeteiligung, die jedes Jahr im Bundestag stattgefunden hätten, bisher nichts entstanden.