Eine gesunde Wirtschaft muss wachsen – diesen Grundsatz stellt die Degrowth-Bewegung infrage. Sie fordert, dass wir uns selbst Grenzen setzen. Ein Vortrag des Sozialwissenschaftlers Dennis Eversberg.
Wirtschaft und Wachstum gehören heute untrennbar zusammen. Das war aber nicht immer so, sagt Dennis Eversberg. Er ist Sozialwissenschaftler und forscht zu den Problemen moderner Wachstumgsgesellschaften. Dass das Wachstum der Wirtschaft erstrebenswert sei, ist eine historisch junge Vorstellung, sagt er.
Wachstum als (falsche) Prämisse des Wirtschaftens
Erst im zwanzigsten Jahrhundert wurde dieser wirtschaftstheoretische Grundsatz zum alles dominerenden Konzept. Eine große Rolle dabei spielte die Verwendung des Bruttoinlandprodukts als Hauptmessgröße für die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die während eines bestimmten Zeitraums erwirtschaftet werden.
"Degrowth ist natürlich auch eine Provokation."
Die Degrowth-Bewegung stellt dieses Primat des Wachstums in Frage. Hinter dem Begriff steckt aber keine einheitliche Bewegung – Degrowth ist eher ein Dachkonzept.
Es geht auch ohne das Primat des Wachstums
Es gibt zahlreiche Ideen, Vorstellungen und Theorien, wie ein gesellschaftliches Zusammenleben möglich sein könnte, das nicht auf Wachstum beruht. In seinem Vortrag erzählt Dennis Eversberg, was die unterschiedlichen Degrowth-Strömungen gemeinsam haben, was sie unterscheidet und welche Vorschläge sie jeweils machen.
"Moderne Gesellschaften sind Steigerungsgesellschaften. Diese Dynamik der Expansion und Steigerung verursacht ökologische Zerstörung und soziale Ungerechtigkeiten."
Wichtig ist, so Dennis Eversberg, dass Degrowth kein Konzept ist, dass sich gegen ein System oder gegen eine herrschende Ordnung wendet. Degrowth richtet sich vielmehr gegen einen Prozess – nämlich gegen Wachstum. Denn unbeschränktes Wachstum, so die Annahme, führt zu ökologischer Zerstörung und sozialer Ungerechtigkeit.
"Wachstum ist kein Schicksal. Wachstum ist nichts Naturgegebenes, sondern Wachstum ist etwas Gesellschaftliches, bei dem sich die Gesellschaft, die Menschen auch entscheiden können, es anders zu machen."
Wachstum, erklärt Dennis Eversberg, ist etwas, das wir selbst wählen. Stattdessen könnten wir uns auch selbst Grenzen setzen – und Wege finden, innerhalb dieser Grenzen ein gutes Leben zu führen.
Unter dem Titel "Wie gerecht ist Degrowth? Gerechtigkeit in Postwachstumskonzepten" hat Dennis Eversberg seinen Vortrag am 23. Oktober 2023 in München gehalten. Veranstalter war die Offene Akademie der Münchner Volkshochschule.