Privatunternehmen gibt es im marxistischen Sozialismus eigentlich nicht. Doch in der DDR waren sie legal und gut etabliert. Historiker Max Trecker blickt in seinem Vortag auf diese bemerkenswerte Besonderheit.
Weder in der Sowjetunion noch in irgendeinem anderen Staat im sowjetischen Einflussbereich spielten Privatunternehmen in der Wirtschaft eine Rolle. Unternehmertum bedeute Ausbeutung, so besagt es die marxistische Lehre. Deshalb kann es sie in sozialistischen Wirtschaftsordnungen nicht geben – eigentlich.
"Nach der Ideologie des Marxismus müssen Mittelständler als Sandwichklasse zwischen Kapital und Arbeit langsam zerrieben werden."
Die Staatsideologie der DDR zählte in keinerlei Hinsicht zu den offensten oder liberalsten des Ostblocks. Ungarn zum Beispiel hatte einen deutlich gemäßigteren Staatssozialismus, private Unternehmen hatten dort aber kein Gewicht.
DDR: Privatunternehmen sind legal und etabliert
Wie es zu dieser Besonderheit in der DDR kam, das erläutert Max Trecker in seinem Vortrag. Als Historiker und Volkswirt forscht er vor allem zur Wirtschaft in Osteuropa nach 1945. Zurzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa.
In seinem Vortrag geht Max Trecker auch darauf ein, wie das Unternehmertum zu Zeiten der DDR die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland nach der Wiedervereinigung geprägt hat.
"Es hat während der gesamten Existenz der DDR stets ein quantitativ und qualitativ nennenswertes privates Unternehmertum gegeben. Das muss überraschen."
Max Treckers Vortrag hat den Titel "Anachronismus oder tragende Säule des Sozialismus? Das ambivalente Verhältnis zwischen Staatssozialismus und privatem Unternehmertum in der DDR". Er hat ihn am 6. Mai 2021 online gehalten im Rahmen eines Forschungskolloquiums des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder.