Im Königreich Saudi Arabien gibt es seit einiger Zeit eine gemischte tierische Gesellschaft der besonderen Art zu beobachten. Rund um die Stadt Taif leben Mantelpaviane, Hunde und Katzen in enger Verbundenheit zusammen. Es sieht fast so aus, als würden die Tiere eine artübergreifende Familie bilden. Ein Fall für unseren Tierexperten Dr. Mario Ludwig.
Mit 50.000 Einwohnern ist Taif die fünftgrößte Stadt Saudi-Arabiens. Und ganz in der Nähe lebt eine mehrere tausend Exemplare große Mantelpaviangruppe. Die Affen sind meist in der Sicherheit sogenannter Schlaffelsen zu finden. Und sie sind nicht allein, sondern mit zwei weiteren Tierarten sehr eng vergesellschaftet: mit Hunden und Katzen. Die drei Arten schlafen, fressen und leben miteinander - eine Drei-Arten-Familie.
Bei den Hunden handelt es sich um verwilderte, sogenannte Kanaanhunde. Sie wurden früher von Nomadenstämmen zur Bewachung ihrer Herden eingesetzt, sind aber mit der Zeit verwildert, da der Islam den Menschen in Saudi-Arabien verbietet, Hunde, die als unrein gelten, im Haus zu halten. Die Katzen sind ganz gewöhnliche, teilweise verwilderte Hauskatzen.
Hunde bewachen den Schlaffelsen
Wie eng die Vergesellschaftung der drei unterschiedlichen Tierarten ist, lässt sich an mehreren Tatsachen ablesen: So schützen die Hunde die Paviane und Katzen vor Raubtieren wie Leoparden, Hyänen und Schakalen. Als Gegenleistung dürfen die Hunde vom Futter der Paviane fressen. Und fast alle wichtigen sozialen Handlungen, die innerhalb der Paviangruppe stattfinden, lassen die Paviane auch Hunden und Katzen zukommen.
Besonders gut lässt sich das am sogenannten "grooming" beobachten. Diese gegenseitige Fellpflege dient bei Pavianen nicht nur der Hygiene, sondern hat eine wichtige soziale Funktion. Sie fördert die Entspannung und dient dazu, Freundschaften zu pflegen, ist sehr wichtig für den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. Kurz: Die "gegroomten" Hunde und Katzen werden von den Pavianen offensichtlich als gleichwertige Gruppenmitglieder betrachtet.
Am frühen Morgen ziehen die Paviane in großen Gruppen, die von einem oder - wenn sich die Gruppen zu regelrechten Verbänden zusammenschließen - von mehreren Alpha-Männchen angeführt werden, in die Stadt Taif. Dort ernähren sie sich von Abfällen oder werden von den Bewohnern gefüttert.
Interessanterweise begleiten nur wenige Hunde die Paviane auf ihrem Beutezug. Viele Hunde bleiben an den Schlaffelsen zurück. Es sieht fast so aus, als würden die Hunde in Abwesenheit der Paviane deren Territorium bewachen. Die Begleithunde dagegen schützen die Paviane auf ihren Streifzügen durch die Stadt vor anderen verwilderten Hunden. Wird ein Pavian attackiert, stellen sich die Begleithunde sofort zwischen den fremden Hund und sein Opfer. Die Begleithunde schützen also die Paviane vor den eigenen Artgenossen.
"Die Hunde schützen die Paviane und die Katzen vor Raubtieren wie Leoparden, Hyänen oder Schakalen."
Übrigens brauchen auch die auf den Schlaffelsen zurückgebliebenen Hunde nicht auf Nahrung zu verzichten. Paviane zu füttern, gilt in Arabien nämlich als gottgefällige Tat. Außerdem sind die Affen mittlerweile zur Attraktion geworden und werden nicht nur von gläubigen Städtern, sondern auch von Touristen vor Ort gefüttert. Und da fällt auch immer etwas Futter für die Hunde ab.
Bleibt natürlich die Frage, wie es zu dieser Vergesellschaftung gleich dreier Arten gekommen ist? Aufschluss geben Beobachtungen, die auch schon mehrfach gefilmt wurden. Pavianweibchen entführen Hundewelpen aus den Städten, adoptieren sie regelrecht und integrieren sie auf diese Weise offensichtlich in die Paviangruppe. Möglicherweise findet hier also eine Art Domestikation statt. Die Paviane halten sich Schutzhunde, um sich vor anderen Raubtieren zu schützen und belohnen sie dafür mit Nahrung.
Für diese Hypothese spricht die Tatsache, dass den verwilderten Kaananhunden der Schutzinstinkt nach einer jahrhundertelangen Tätigkeit als Herdenhunde der Nomaden, quasi in den Genen liegt. Aber möglicherweise ist es auch andersrum: Nicht die Hunde "verpavianen", sondern die Paviane "verhunden". Hier besteht offensichtlich noch reichlich Forschungsbedarf. Vor allem in Sachen Katzen. Deren Funktion in der Gruppe ist noch völlig unklar. Möglicherweise sind sie eine Art Schoßtiere für die Paviane.
"Vielleicht ist es auch anders herum: Nicht die Hunde verpavianen, sondern die Paviane verhunden."
Nach Ansicht der Wissenschaft ist aber vor allem eine vierte Art für das Zusammenleben von Pavianen, Hunden und Katzen verantwortlich, nämlich der Mensch. Nur durch Bereitstellung von Nahrung, sei es in Form von Fütterungen oder Abfällen, ist es möglich, dass die Tiere sich nicht im Kampf um knappe Futterressourcen gegenseitig bekämpfen oder, im Fall der Hunde sogar Paviane und Katzen jagen, um sich den Magen zu füllen, sondern zum gegenseitigen Vorteil Allianzen schließen.
Die Paviane-Hunde-Katzengesellschaft in der Nähe von Taif ist übrigens nicht die einzige derartige tierische "Dreiergemeinschaft" in Saudi-Arabien. Rund 400 Kilometer weiter südlich, an der Grenze zum Jemen, lässt sich eine ähnliche Vergesellschaftung beobachten. Auch hier leben Mantelpaviane, Hunde und Katzen in enger und friedlicher Koexistenz zusammen.