Einfach nur „HILMA“ heißt der Roman von den Schriftstellerinnen Sofia Lundberg, Alyson Richman und M.J. Rose über die Malerin Hilma af Klint. Die hat es wirklich gegeben. Die Geschichte im Buch ist jedoch größtenteils frei erfunden.
Oktober 1922. Anna steht im Garten. Sie hält den letzten Brief an die Flamme. Sie hat ihn gelesen, wie auch alle anderen Briefe. Jedes Wort. Und jetzt tut sie, worum Hilma sie gebeten hat. Oder besser gesagt: wozu Hilma sie aufgefordert hat. Denn: auch wenn es Anna früher manchmal gelungen war, Hilma in einer Sache zum Nachdenken anzuregen oder sogar umzustimmen; dieses Mal hatte sie es nicht einmal versucht.
Weil Anna weiß, wie ernst es Hilma ist. Weil sie beide inzwischen recht alt geworden sind. Weil Anna Hilma liebt.
All die Briefe, die vielen aufgeschriebenen Gedanken und Träume, die erzählen nicht nur von Hilma, sondern auch von ihr selbst, von Anna, und von den anderen drei Frauen, von Cornelia, von Mathilda und von Sigrid. Anna weiß genau, warum Hilma nicht möchte, dass diese Briefe, und sogar die Tagebücher für immer verschwinden. Bei den Tagebüchern, ja, da hatte sie kurz gezögert. Denn sie erzählen von fünf Leben, die eine zeitlang untrennbar gewesen waren. Aber Hilmas Entschluss steht fest. Sie will nach ihrem Werk beurteilt werden.
Das soll frühestens zwanzig Jahre nach Hilmas Tod sein. Keinen Tag eher. Hilma weiß, dass ihre Kunst gut ist, aber die Welt noch nicht für sie bereit.
Da fällt Anna plötzlich ein Foto aus einem der Tagebücher entgegen. Es ist DAS Foto. Es zeigt sie alle fünf nebeneinander, De Fem, ihre Freitagsgruppe. Hilma im schwarzen Anzug. Sigrids eindringlicher Blick. Mathilda wie immer mit Zigarre. Und Cornelias zauberhaftes Gesicht. Und Anna natürlich. Ja, das waren sie. Jung. Weiblich. Mutig. Anders. Voller Ideen und Visionen. Und Freundinnen.
Anna lächelt und betrachtet die vom Feuerschein leuchtenden Gesichter auf dem Foto. Zärtlich streicht sie mit dem Finger darüber. Sie kann es nicht. Sie kann dieses Bild nicht in die Flammen schmeißen. Hastig schiebt sie es in die Tasche und legt eine Hand darüber. Hilma wird es nie erfahren.
Roman mit realer Protagonistin
Einfach nur „HILMA“ heißt der Roman von den Schriftstellerinnen Sofia Lundberg, Alyson Richman und M.J. Rose über die Malerin Hilma af Klint.
Die hat es wirklich gegeben. Die Geschichte im Buch ist jedoch größtenteils frei erfunden. Anstoß für den Roman gab – so die Autorinnen Lundberg, Richman und Rose – ein Besuch im Guggenheim Museum in New York. 2019 gab es dort eine Ausstellung mit Hilmas Werken. Sie trug den Titel „Paintings For The Future“. Eine kleine Notiz im Rahmen der Ausstellung erwähnte vier Frauen, die vermutlich gemeinsam mit Hilma esoterische Seancen veranstaltet und gemalt haben: Anna Cassel, Cornelia Cederberg, Mathilda Nilsson und Sigrid Hedman. Sie waren die sogenannte „Freitagsgruppe“, De Fem, die Fünf.
Inwieweit sie sich untereinander künstlerisch, aber auch persönlich beeinflusst haben, ist schwer zu sagen. Der Roman erfindet eine Geschichte für genau diese Leerstellen. Hilma af Klint und ihre Freundinnen hätte das vielleicht gefallen, das Interesse weltweit an ihrem Schaffen, das ihnen zu Lebzeiten mehr oder weniger verwehrt geblieben war, weil sie Frauen waren und keine Männer.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erwartete man von Frauen, dass sie heirateten, Kinder kriegten und diese versorgten. Nicht, dass sie sich die Nächte mit Kerzenlicht und Singsang um die Ohren schlugen, dabei Hosen und Hüte trugen, oder rauchten, und in Trance Skizzen anfertigten, um diese schließlich mit den schillerndsten Farben und in für damalige Zeiten ungewöhnlichsten Formen, wie Kreisen und Spiralen und Schnecken, auf großformatige Leinwände übertrugen.
"Ohne Frage ist Hilma eine Macherin. Deshalb gelingt es ihr immer wieder, die anderen Frauen für sich und die Sache zu gewinnen."
Hilma ist oft schroff. Sie sagt stets, was sie denkt. Das wirkt auf manche anziehend, auf andere abstoßend. Sie ist eine Macherin und eine wahre Künstlerin. Deshalb gelingt es ihr immer wieder, die anderen Frauen für sich und die Sache zu gewinnen. Einen Tempel wollen sie errichten. Inspiriert durch Träume und Begegnungen mit den Toten. Von der Fantasie auf das Papier, von dort auf die Leinwand und dann in die Welt, gebaut als Gebäude, das wäre das Größte. Daran arbeiten sie. Fünf Frauen. In der Gewissheit, dass das eigentlich nicht geht. Aber in einhundert Jahren vielleicht? Wenn sich jemand die Mühe macht, die Bilder zu verstehen. Und die Frauen, die sie geschaffen haben. Vielleicht dann?
Das Buch: "Hilma" von den Schriftstellerinnen Sofia Lundberg, Alyson Richman und M.J. Rose, Piper Verlag, 352 Seiten, 1. Edition, Herausgegeben am 30. März 2023