Ihr guckt in den Spiegel und seht euch: eure Augen, eure Füße, euer Grinsen. Tatsächlich seht ihr aber nicht nur euch, ihr seht eine ganze Familie. Das kann ein echtes Problem sein – so wie für eine Frau in "Der Eisfürst" von Stefanie Geiger.
Ihr seht die Augen eurer Mutter, die Füße des Vaters, das Grinsen eurer Großmutter. Eigentlich ist das schön. Für manche aber ist das schlimm. Oder kompliziert. Weil es Streit gab zum Beispiel. Oder weil da niemand ist zum Nachgucken, wem man ähnelt.
Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre…
Wenn Sven sich nur einen Tag eher bei Marianne zurückgemeldet hätte. Und wenn Mariannes Mutter nicht heimlich nach dem Abendbrot angerufen und um Geld gebeten hätte. Und wenn der schöne Karl nicht sofort zur Stelle gewesen wäre, um bei Marianne das Geld auf den Tisch zu knallen. Dann… müsste eine Frau zweiunddreißig Jahre später nicht nach Sylt fahren, um dort einen Mann zu treffen, dem sie noch nie zuvor in ihrem Leben begegnet ist.
Dieser Mann ist ihr Vater.
Er hat ihr einen Brief geschrieben und sie auf die Insel zitiert. Der Mann besitzt zwei Eisfabriken und sucht einen Nachfolger. Am liebsten hätte er eine Nachfolgerin, nämlich seine leibliche Tochter.
"Nach all dem, was die junge Frau über diesen Fremden weiß, sollte sie in keinem Fall nach Sylt fahren. Weil der Mann, dem sie dort begegnen wird, ein egoistischer, eiskalter Dreckskerl ist."
Weil er sich mit Kalkül ins Herz ihrer Mutter gestohlen und diese dann bei erstbester Gelegenheit verlassen hat. Als sie schwanger war! Seitdem die Tochter diese Geschichte kennt, nennt sie ihren Vater "Eisfürst".
Und sie fährt trotzdem hin.
Das Buch:
"Der Eisfürst" von Stefanie Geiger, 2008 erschienen im Verlag C.H. Beck, 120 Seiten, gebundene Ausgabe/Hardcover: 14,90 EUR.