"Alles gut" ist Cecilia Rabess' beeindruckendes Romandebüt und handelt von Jess. Im Januar 2017 arbeitet sie als Analystin bei einer Investmentbank in New York, als einzige Frau und einzige Schwarze im Team. Dann hält Donald Trump seine Antrittsrede als US-Präsident.
Jess ist wie betäubt. Sie starrt auf den Bildschirm, während auf dem Handy der Chat mit ihren Freund*innen heißt läuft. Donald J. Trump hält seine erste Rede als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Für Jess ist es ein schlimmer Tag im Januar 2017. Da redet ein weißer Mann mit roter Krawatte vor begeisterten Anhängern von vergessenen Männern und Frauen, von Gangs und Drogen, von Armut und Not – und von einem neuen Amerika mit großartigen Schulen für ihre Kinder, von einer sicheren Nachbarschaft für ihre Familien und von guten Jobs für sie selbst…
Denkt Trump auch an Jess?
Und Jess fragt sich, wen dieser Typ meint, wenn er von ihnen spricht. Meint er sie, Jessica Jones? Meint er Menschen wie sie, Schwarze Menschen, arme Menschen, alleinerziehende Menschen, Menschen wie ihren Vater? Es ist schwer vorstellbar.
"Meint er sie, Jessica Jones? Meint er Menschen wie sie, Schwarze Menschen, arme Menschen, alleinerziehende Menschen, Menschen wie ihren Vater?"
Jess wächst bei ihrem Vater auf. Und auch wenn er alles versucht, ihr die Schwarze Kultur nahe zu bringen, ihr seine Werte mitzugeben, seine Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft, und auch seine Wünsche für sie, entfernt sich Jess zunehmend von ihrem Vater.
In ihrer Kindheit und Jugend ist Jess vor allem von weißen umgeben. Und während das völlig normal für sie ist, nimmt sie sich selbst und ihr Schwarzsein nicht immer als „normal“ wahr.
People of Color werden strukturell diskriminiert
Jess weiß, dass sie für und um alles wird kämpfen müssen. Im Studium, im Job, in Freundschaften und in Beziehungen. Sie wird immer und immer wieder weißen Menschen erklären müssen, dass es keinen „umgekehrten Rassismus“ gibt und dass Schwarze Menschen strukturell diskriminiert werden, völlig unabhängig davon, was sie machen und wie gut sie es machen.
Sowohl die Originalausgabe, als auch die deutsche Übersetzung von Simone Jakob ziert eine fruchtig-reife, zermatschte Erdbeere. Saftspritzer erinnern an süßen Sirup – und an Blut.
"Manche Menschen reagieren allergisch auf Erbeeren, essem sie aber trotzdem, weil sie auf die köstliche Süße nicht verzichten wollen."
Natürlich spielt die Erdbeere eine Rolle im Roman. Und natürlich steht sie als Metapher für etwas. Ohne zu viel verraten zu wollen, lässt sich sagen, dass manche Menschen allergisch auf Erbeeren reagieren, sie aber trotzdem essen, weil sie auf die köstliche Süße nicht verzichten wollen.
Trost, Beschwichtigung, Relativieren
Als die Rede von Donald Trump vorbei ist schaltet Josh, der Freund von Jess, den Fernseher aus. Und dann sagt er zwei Worte die von „siehst du, ist doch gar nicht so schlimm“, über „mach’ dir keine Sorgen“ bis hin zu „du wirst nie erfahren, was ich wirklich denke“ so ziemlich alles bedeuten können:
Trost, Beschwichtigung, Relativieren. Zwei Worte, die immer passen, aber nie genügen. Josh zieht Jess an sich, drückt ihr die Schulter und sagt: „Alles gut.“ Aber wird er Haltung zeigen? Wird er den Mund aufmachen, für sie?
Das Buch
"Alles gut" im Orginal "Everything’s Fine" von Cecilia Rabess, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Simone Jakob, 427 Seiten, erschienen bei eichborn, gebundene Ausgabe (Hardcover): 24 €, eBook: 23,99 €, ein Hörbuch gibt es auch, gelesen von Demet Fey, Audio-Download: 20,99 €; ET: 28.03.2024
Die Autorin
Cecilia Rabess hat als Data Scientist bei Google gearbeitet und war Associate bei Goldman Sachs. Ihre Artikel sind u.a. in McSweeney's, FiveThirtyEight, Fast Company und Flowing Data erschienen. "Everything’s Fine" ist ihr erster Roman.