Das hört sich crazy an: Können mit einer Kot-Transplantation auch charakterliche Merkmale des Spenders übertragen werden? Das zumindest vermutet ein australischer Arzt. Wir haben uns das Ganze mal einordnen lassen.
Eine Stuhltransplantation klingt erstmal nicht so appetitlich. Einige Ärzte empfehlen dies aber, beispielsweise für Leute mit schweren Durchfallerkrankungen. Dafür wird der gesunde Kot des Spenders entnommen, zumeist zu einer Art trüben Lösung aufgearbeitet und beispielsweise bei einer Darmspiegelung in den Darm eingebracht.
Dort, wo Antibiotika nicht mehr wirken, kann eine Übertragung gesunden Stuhls den angeschlagenen Darm wieder ins Gleichgewicht bringen. Jetzt sagt ein australischer Mediziner, dass sich dadurch auch Persönlichkeitsmerkmale des Stuhlspenders mit übertragen könnten.
Plötzlich Depression, plötzlich Gewichtsverlust
Zur Untermauerung der These führt Patrick Charles, Professor für Infektionskrankheiten aus dem australischen Austin, Beispiele von Transplantations-Patienten an. So traten bei ihnen nach der Stuhl-Übertragung eines depressiven Spenders Depressionssymptome auf, obwohl sie zuvor keine Anzeichen dafür zeigten. Andere berichteten, so der Arzt, von einer plötzlichen Gewichtszunahme oder einem plötzlichen Gewichtsverlust
"We're just getting to the early stages of understanding this, but it's something we need to learn a lot more about because it could have a role in the future."
Zunächst hat der Wissenschaftler nur kurz seine Beobachtungen zu dem Thema auf einer australischen Medizinerkonferenz vorgestellt. Er glaubt aber, möglicherweise weitere Beweise für eine Verbindung zwischen Bauch und Kopf finden zu können.
Wir haben mit dem Gastroenterologen Max Reinshagen vom Klinikum Braunschweig gesprochen, der sich mit solchen Transplantationen auskennt. Für ihn sind die neuen Thesen aus Australien schwer zu beurteilen. Er sagt, grundsätzlich gebe es gar nicht so viele dieser Prozeduren in Deutschland: Etwa 200 bis 300 im Jahr, so lautet seine Schätzung. Weltweit seien es vielleicht einige Tausend.
"Bisher gibt es in der Weltliteratur der Stuhltransplantationen dazu keinerlei Berichte."
Für Max Reinshagen sind die australischen Mediziner bisher ein unbeschriebenes Blatt in der Gastroenterologenszene. Er kann jedoch erklären, in welche Richtung der australischen Mediziner offenbar denkt: "Was passieren kann, ist, dass die Bakterien im Darm bestimmte Stoffwechselprodukte verarbeiten, die dann durch den Darm auch wieder ins Blut aufgenommen werden", erklärt Max Reinshagen. So sei etwa bekannt, dass sich bei Patienten nach einer solcher Transplantation messbar etwa der Proteingehalt im Körper verändern kann.
"Das wäre prinzipiell vorstellbar, dass bei jemandem, der eine Veranlagung für Depressionen hat, diese verstärkt werden könnte. Das ist eine theoretische Möglichkeit."
Ausgeschlossen ist so eine Rückwirkung auf das Gehirn durch die unterschiedlichen Stoffwechselprozesse im Körper nicht, so Max Reinshagen. Bisher war dies in seiner Praxis aber kein Thema. Eher sind die Ärzte darauf sensibilisiert, den Spenderstuhl genau zu untersuchen, damit sich nicht doch versehentlich Krankheitskeime auf den Empfänger übertragen.
Noch wenig wissen die Wissenschaftler überhaupt über alle Bakterien, die im Darm vorkommen. Längst nicht alle lassen sich im Labor züchten. Max Reinshagen sagt: "Da sind Stoffwechselprozesse beteiligt, von denen wir bisher sehr wenig wissen."